© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/07 25. Mai 2007

Werbekongreß 2007: Versteckte Drohung am Straßenrand
Stürmt das Schlachtfeld
Thor Kunkel

Am schönsten waren natürlich die Mutmaßungen im Vorfeld - wer wem den Kampf angesagt hatte, mitten Unter den Linden, im Herzen Berlins?

Hinter den schwarzen Plakaten mit der scharlachroten, zackigen Typographie konnte man einen modischen Besinnungsanfall der Rechten vermuten, ein kokettes Revival der Neuen Deutschen Welle vielleicht ("Tanz den Mussolini noch mal").

Oder doch nur eine Guerilla-Marketing-Aktion für die traditionellen 1.-Mai-Krawalle in Kreuzberg, einen Aufruf zur Straßenschlacht und Drohgebärde. Bedeuteten die Plakate gar eine Ausweitung der Kampfzone über die Stadt? - Nein, dazu wirkte das Ganze doch irgendwie zu sauber, zu brav.

Die Aufgeweckten tippten auf eine Werbung für den Film "Kampfansage" (mit dem deutschen Kung-Fu-As Mathis Landwehr), der jüngst auf RTL lief.

Doch so locker sitzt den Privaten das Geld nun auch wieder nicht, daß sie die Stadt wegen eines Films zukleistern könnten. Weiter Rätselraten, selbst unser Hausverwalter hat seine Theorie: "Das kommt von Schäuble, ganz sicher. Die Ansage kann sich nur an G8-Gegner richten, die von Berlin aus nach Heiligendamm reisen."

Wem es nun wirklich keine Ruhe ließ, der landete nach kurzer Recherche auf der Internetseite werbekongress.de. Einer Nachwuchsveranstaltung, wie es heißt, um coole, junge Werber anzulocken, Wichtel mit eckigen Brillen, Fahrradkuriertaschen und ungewaschenen Haaren - allesamt Kinder der freien Welt, zumindest libertär sozialisiert, sonst könnten sie in dem Werbesumpf wohl kaum überleben; man staunt daher nicht schlecht, daß sich der martialische Tonfall, der vor allem einem Leonidas von Sparta gut gestanden hätte, nahtlos fortsetzt.

Unter der Überschrift "Urban Warrior" - Großstadtkrieger - geht es noch forscher zur Sache. Beim Werbekongreß 2007 werde "von der ersten Minute an gekämpft".

Die "potentiellen Krieger" müßten neben der Errichtung des üblichen Obolus auch einen Copytest bewältigen, damit sichergestellt sei, "daß nur die talentiertesten und motiviertesten Ausnahmepersönlichkeiten in die Schlacht ziehen". Durch diese Maßnahmen würde der genannte Kongreß "zu einer Plattform der Ehrgeizigen und der Visionäre."

Warum, so mag mancher sich fragen, sieht man dann - angesichts solch markiger Sprüche - meistens nur Biedermann-Reklame im Fernsehen? Keimfreie "Lifestyle-Schmonzette" in dezent gedämpften Farben? Oder platte "Effekthascher-Commercials" ohne die Spur einer Idee.

Vorbei die glorreichen neunziger Jahre, als mein Freund Roger Mönch, die Londoner Werbeszene mit einer Bewerbung schockte: Never underestimate German creative power, war da zu lesen. Zu sehen war eine ME 211 im Steilflug, deren MGs eine Spitfire durchsiebten, eine wirklich gemein aussehende Zeichnung von Stefan Lochmann, und ja, das wurde tatsächlich als eine Kampfansage verstanden. Die Briten waren "not amused", Halleluja.

But German advertising isn't dead, it just smells funny. Sind diese Plakate also vielleicht nur ein Wiederbelebungsversuch? Zumindest der "Kampf um Aufmerksamkeit" (Zitat von der Netzseite) ist den Jung-Werbern geglückt.

Die aggressive Wortwahl wurde vor allem in links ausgerichteten Blogs diskutiert. Kein Wunder: Wie Neuronen und Ganglien erzeugen erst Worte Netzwerkstrukturen und Stimmungen. Sie bauen die Brücken aus den Köpfen nach draußen, suchen Geistesverwandte. Die suggestive Wirkung einer Kampfansage scheint jedenfalls auf Männer unwiderstehlich zu sein. Da steigt doch gleich der Testosteronspiegel, der zuletzt in dem heroischen Metzelfilm "300" gefordert war.

Auch dessen Werbung protzte mit Sprüchen, die dem laxen Modus vivendi der Zeitgenossen zuwiderliefen. Vor den Massenbetäubungsarealen am Potsdamer Platz wurde mit Worten wie Sieg, Blut und Ehre in haushohen Lettern gewuchert. Und doch blieben die journalistischen Unken fast still, die berufsmäßigen Denunzianten hielten sich bedeckt. Okay, Zack Snyder, der Name des Regisseurs, klingt nicht gerade "germanisch", und "300" ist eben ein Hollywood-Film.

Erstaunt konstatiert man jedenfalls, was hierzulande alles geht. Mit ihren Plakaten sind die Werbefüchse wohl doch nur einem Trend aufgesprungen. Das urbane Leben ist eben eine Spur härter geworden, es weht jetzt ein anderer Wind, und die fröhlich shoppende Masse, deren Kaufkraft von Tag zu Tag schrumpft, braucht den Gummihammer genau auf die Zwölf.

Es wirft jedenfalls ein eigenartiges Licht auf unsere Zeit, in der Werbebotschaften wie versteckte Drohungen daherkommen müssen, um noch wahrgenommen zu werden.

Foto: Augenfang: Mit ihren Plakaten sind die Werbe-Füchse wohl doch nur einem Trend aufgesprungen


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