© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/07 01. Juni 2007

"Stoppt das Berufsverbot!"
Der Fall des Rechtsanwalts Sascha Jung provoziert Protest. Die "Initiative Akademische Freiheit" nimmt den Kampf auf
Moritz Schwarz

Für einen Skandal sorgte das bayerische Innenministerium mit seiner Aufnahme der nationalkonservativen Münchener Burschenschaft Danubia in den Verfassungsschutzbericht des Landes im Jahr 2001 (JF berichtete). Vorgehalten wird den Studenten der Auftritt angeblicher Rechtsextremisten auf Vortragsveranstaltungen. Tatsächlich aber sind die Vorwürfe bis auf einen Fall gegenstandslos. Hier verteidigt sich die Burschenschaft mit dem Argument, unter Hunderten von Vorträgen dürfe sich der freie Bürger zur eigenen Meinungsbildung auch eine extremistische Position anhören. Die Verunglimpfung der Burschenschaft deshalb als "rechtsextrem" sei ein Verstoß gegen Artikel 5 Grundgesetz, der die Meinungs- und Informationsfreiheit garantiert, und daher unzulässig. Hinzu kommt, daß der bayerische Staat dem jungen Rechtsanwalt Sascha Jung (JF 22/07) wegen seiner Zugehörigkeit zur Danubia den Eintritt in den Staatsdienst verweigert.

Herr Dr. Merkel, "Berufsverbot gegen Rechts", gibt es so was?

Merkel: Daß unser Staat nicht bereit ist, nachgewiesene Extremisten einzustellen, ist völlig berechtigt. Neu und bestürzend - und darauf spielt Ihre etwas unkonkret formulierte Frage ja an - ist ein Berufsverbot gegen Konservative.

Und das in Bayern! - Hätten Sie's gedacht?

Merkel: Nein, ich bin seit vierzig Jahren engagiertes CSU-Mitglied, und daß wir einmal so etwas bei uns in Bayern erleben würden, hätte ich nie und nimmer für möglich gehalten. Aber ich möchte etwas klarstellen: Auf das "konservativ" kommt es gar nicht an! Man sollte lieber von einem "Berufsverbot gegen mißliebige Bürger" sprechen. Wenn dieses Mittel nämlich nicht nur dazu dienen sollte, um den Staat vor tatsächlichen Extremisten zu schützen, sondern auch unbescholtene Bürger zu treffen - ob nun Linke nach dem Verfolgungsmuster Joseph McCarthys oder Konservative und Rechte als Objekt im sogenannten Kampf gegen Rechts -, so wäre für unsere Demokratie Gefahr im Verzug!

Deshalb haben Sie nun die "Initiative Akademische Freiheit" gegründet und den gerade veröffentlichten "Münchener Appell" an Günther Beckstein "Berufsverbot für Sascha Jung stoppen" aufgelegt?

Merkel: Ja, denn mit diesem Fall ist die Grenze überschritten. Zumal das bayerische Innenministerium ja nicht einmal behauptet, daß Jung tatsächlich ein Extremist sei. Grund für das Berufsverbot ist allein seine Mitgliedschaft in der altehrwürdigen, über hundertfünfzig Jahre alten Münchener Burschenschaft Danubia, die übrigens nicht nur im 19. Jahrhundert lange Zeit den Justizminister, sondern von 1954 bis 1957 auch einmal den bayerischen Innenminister gestellt hat. Die Beurteilung der Danubia als "rechtsextremistisch" durch den bayerischen Verfassungsschutz beruht auf einem nachgewiesenen Irrtum und erfolgt ohne stichhaltige Beweise.

Einem Irrtum?

Merkel: Es geht um den sehr unappetitlichen Vorfall eines ausländerfeindlichen Schlägers, den im Januar 2001 ein Schlafgast der Danubia ohne deren Wissen auf deren Haus zum Übernachten mitgebracht hatte. Die Presse machte daraus: Danubia versteckt Neonazi! Zwar hatte die polizeiliche Untersuchung schließlich ergeben, daß die Danubia tatsächlich keinerlei Schuld traf, aber Sie können sich vorstellen, daß das die sogenannte politisch korrekte Presse nicht interessiert hat. Die helle Aufregung wegen des Vorfalls hatte das Amt damals veranlaßt, die Danubia in den Verfassungsschutzbericht aufzunehmen. Nachdem sich der wahre Sachverhalt herausgestellt hatte, war es den vorschnellen Verdachtschöpfern wohl zu peinlich, den Fehler zu korrigieren, denn das hätte offenbar werden lassen, daß sich eine staatliche Stelle von bloßer Stimmungsmache hatte hinreißen lassen. Zudem wäre ein Aufschrei gewisser Medien - ich sage nur Süddeutsche Zeitung - wohl wahrscheinlich gewesen. Also blieb man, in der Annahme, die kleine Danubia könne sich eh nicht wehren, dabei und suchte lieber nach neuen Ausreden, um die Beobachtung zu rechtfertigen: etwa, daß bei den regelmäßigen Vortragsveranstaltungen der Danuben die falschen Leute aufträten.

Auch manchem Burschenschafter ist die Danubia zu rechts. Sie gehören selbst der Verbindung nicht an, warum kümmert Sie dann der Fall?

Merkel: Das stimmt, aber ich bin Mitglied der Münchener Burschenschaft Arminia-Rhenania. Wie Sie wissen, waren die Burschenschaften die Speerspitze der deutschen Freiheitsbewegung des 19. Jahrhunderts. Sie waren die erste organisierte Kraft in deutschen Landen, die ab 1815 gegen das antiquierte, freiheitsfeindliche und antinationale Metternich-System aufbegehrt und ihm als neue Werte - ich verwende, um mich verständlich zu machen, bewußt unsere heutigen Ausdrücke - Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, nationale Einheit und demokratische Selbstbestimmung entgegengesetzt hat. Dieses historische Faktum gehört zur Vorgeschichte unserer heutigen, so unerwartet glückhaften Verfassungsordnung - genau wie die weiteren Daten der von den Burschenschaften ausgelösten deutschen Freiheitsbewegung: als da sind das studentische Wartburgfest von 1817, das politische Bürgerfest am Hambacher Schloß 1832 sowie das aus der Revolution von 1848 hervorgegangene Paulskirchenparlament, um nur die wichtigsten Stationen eines Weges zu nennen, der die schwarzrotgoldenen Farben der Burschenschaft zu den deutschen Nationalfarben hat werden lassen, den geistigen Boden für Bismarcks Reichsgründung bereitet und über die schicksalsschweren, nicht nur von Deutschen verschuldeten Umwege über NS- und SED-Diktatur zu unserem heutigen Grundgesetz geführt hat. In dieser Tradition stehe ich als Burschenschafter: bewußt und ohne Zugeständnis an opportunistische Zeitgeisterei. Wenn daher heute Gefahr für die Freiheit besteht, gehöre ich mit zu ihren Verteidigern: nicht nur der akademischen Freiheit, sondern der Freiheit generell. Deshalb ist es für mich gleichgültig, ob die heute zu Unrecht Verfemten Danuben sind oder überhaupt Burschenschafter. Ich kann also nur sagen: Wehret den Anfängen!

Sie haben als hochrangiger Beamter der Bundesregierung, später dem Bundestag gedient. Ausgerechnet Sie sehen den Staat "von oben" in Gefahr?

Merkel: Weder als Bundesbeamter noch als CSU-Mitglied hatte ich beim Eintritt meinen politischen Verstand an der Garderobe abgeben müssen. Ich stehe nach wie vor zu meiner Partei und zu meinen auch im Ruhestand nachwirkenden Beamtenpflichten. Doch im demokratischen Rechtsstaat habe ich nicht nur das Recht, sondern auch die moralische Pflicht zur Kritik in Fällen, in denen Grundsätze angegriffen und in Frage gestellt werden, deren Unantastbarkeit für unsere verfassungsmäßige Ordnung unverzichtbar sind. Das bin ich als Verfassungspatriot unserem Staat und unserem Land schuldig, denn das Grundgesetz ist die beste politische Ordnung, die Deutschland je hatte. Es muß gerade hinsichtlich seiner freiheitlichen Prägung gehütet werden wie ein Augapfel.

Deshalb haben Sie dem Appell einen Artikel aus dem Grundgesetz vorangestellt?

Merkel: Ja, denn es ist ein Irrtum zu glauben, daß einer Verfassung nur von extremistischer Seite Gefahr droht. Das Grundgesetz selbst ist Ausdruck der Tatsache, daß diese Gefahr vor allem vom Staat kommt: Die Artikel, die versuchen, einem Mißbrauch der Staatsgewalt einen Riegel vorzuschieben sind weit zahlreicher als die zur Abwehr extremistischer Oppositioneller. Ein Blick in die deutsche Geschichte bestätigt das: Die Freiheit war - ob unter Metternich, Hitler, Ulbricht oder Honecker - zumeist von oben bedroht.

Der Appell enthält zwei Forderungen: "Stopp des Berufsverbotes für Sascha Jung" und "Streichung der Danubia aus dem bayerischen Verfassungsschutzbericht".

Merkel: Die zweite Forderung liegt in der Konsequenz der ersten, weil der Fall Sascha Jung ohne den Fall Danubia gar nicht entstanden wäre. Der eigentliche Skandal liegt ja in der sachlich falschen und verfassungsrechtlich fatalen Einordnung der Danubia, die einen Eingriff in die bürgerliche Freiheit darstellt. Dabei ist ausgerechnet die Danubia aufs engste mit der Geschichte der bürgerlichen Freiheit in Deutschland verbunden. Sie war Teil der bürgerlich-revolutionären Bewegung von 1848 und mußte sich wegen ihrer Beteiligung an der Revolution in München 1853 zeitweilig auflösen. 1919 machte sie sich durch ihre Teilnahme an der Niederschlagung der Münchner Räterepublik um die Abwehr der damals drohenden kommunistischen Diktatur in Bayern verdient. 1935 mußte sie sich aufgrund staatlichen Drucks auflösen, weil sie sich der Eingliederung in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund widersetzte. Sie sehen, in welcher seltenen Freiheitstradition die Danubia steht!

Wen wollen Sie mit dem Appell eigentlich erreichen?

Merkel: Keinesfalls nur Konservative, sondern alle engagierten deutschen Staatsbürger, denen Grundgesetz und bürgerliche Freiheit am Herzen liegen. Ich selbst bin CSU-Mann, aber der Mann, für den der "Münchener Appell" veröffentlicht wird, Sascha Jung, ist Sozialdemokrat. Parteipolitische Orientierung spielt für mich in dieser Kernfrage unseres Zusammenlebens überhaupt keine Rolle.

Die etablierten Medien werden kaum bereit sein, Ihren Aufruf zu schalten: Wo also läuft Ihr Appell?

Merkel: Außer der Nutzung unserer burschenschaftlichen Strukturen haben wir bislang das redaktionelle Interesse der JUNGEN FREIHEIT geweckt. Wir sind für die Kampagne natürlich auf das Sammeln von Spenden angewiesen, und je nachdem, was wir zusammenbekommen, können wir weitere Aktionen planen.

Wie lange soll die Kampagne laufen?

Merkel: Unser Ziel ist ganz klar die Einhaltung der grundgesetzlich garantierten bürgerlichen Freiheiten - nicht mehr und nicht weniger! Konkret heißt das: Aufhebung des Berufsverbotes und Streichung der Danubia aus dem Verfassungsschutzbericht!

Schon eine Kompromißbereitschaft von seiten des bayerischen Innenministers wäre eine Überraschung, daß er ganz und gar nachgibt, damit ist aber doch überhaupt nicht zu rechnen.

Merkel: Dann werden wir Herrn Beckstein weiterhin auf geeignete und rechtlich zulässige Weise mit dem Fall belästigen müssen.

Warum haben Sie nicht versucht, sich mit ihm intern und gütlich zu einigen?

Merkel: Das wurde sowohl von seiten der Danubia wie auch von mir lange Zeit versucht. Leider ohne Erfolg. Ich selbst kann mehrfache Korrespondenz mit dem Innenministerium vorweisen. Einmal schrieb mir der Minister persönlich. Leider ging auch er nicht auf meine Argumente ein, sondern wiederholte nur die sehr schematischen Behauptungen seiner Mitarbeiter. Ich bedauere das außerordentlich, nicht zuletzt deshalb, weil ich ihn für einen der wichtigsten Politiker in Deutschland halte. Er ist der am meisten problembewußte und auch couragierteste aller deutschen Innenminister, im Grunde ihr Stimmführer.

Gäbe Beckstein aufgrund Ihres Appells nun nach, würde das für ihn nicht einen um so größeren politischen Gesichtsverlust bedeuten?

Merkel: Mag sein, daß er das so sieht. Ich meine, er könnte durch Nachgeben nur gewinnen. Ich glaube sogar, insgeheim hält er selbst den Schritt seines Hauses für einen Fehler. Vermutlich wäre er glücklich, wenn er diesen Klotz am Bein loswürde.

Wie kommen Sie darauf, daß Beckstein so denken könnte?

Merkel: Ich habe Beckstein bei einer Veranstaltung meiner eigenen Burschenschaft im Dezember 2001 erlebt. Dort hat er geschildert, daß er ursprünglich immer davor gewarnt habe, konservative Verbindungen wie die Danubia als "rechtsextrem" zu bewerten. Dann aber sei es zu der schon genannten ausländerfeindlichen Schlägerei gekommen. Auch wenn sich schließlich alles als ganz anders herausgestellt hat, als es im Augenblick aussah, hat sich Beckstein wohl im ersten Moment von der Danubia persönlich enttäuscht gefühlt. Ich vermute, diese Enttäuschung hat zu seiner besonders harten Reaktion geführt, hinter die er nun aus Ansehensgründen nicht glaubt zurückzukönnen. Tatsache dürfte aber auch sein, daß Beckstein genauso denkt, wie er in einem Interview mit der taz 2006 sagte: "Allerdings wehre ich mich gegen alle Versuche, nationalkonservative Grundhaltungen mit Rechtsextremismus gleichzusetzen." Da kann ich nur sagen: "Herr Minister - ein Mann, ein Wort!"

 

Dr. Hans Merkel, Ministerialdirigent a.D. ist Gründer der Initiative Akademische Freiheit und Organisator des "Münchener Appells" an Innenminister Günther Beckstein. Merkel, seit 1967 CSU-Mitglied und zunächst Referent im Bundesverteidigungsministerium, war von 1979 bis 1983 Leiter des Büros von Bundestagspräsident Richard Stücklen und führte dann bis 1998 die Abteilung für internationale parlamentarische Beziehungen des Deutschen Bundestages. Von 1970 bis 1979 war er erst persönlicher Referent und Büroleiter der CSU-Landesgruppe in Bonn unter Stücklen, dann Referent für Außen,- Sicherheits- und Deutschlandpolitik unter Friedrich Zimmermann. Bis 1997 leitete er den Freundeskreis der CSU in der Bundeshauptstadt. 1987 erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Geboren wurde der Jurist 1934 in Nürnberg.

 

Initiative Akademische Freiheit: Die am 1. Mai von Ministerialdirigent a.D. Hans Merkel, Rechtsanwalt Sascha Jung und dem Journalisten Bernd Kallina in München gegründete Bürgerrechtsinitiative engagiert sich für die Wahrung der bürgerlichen und akademischen Freiheit. Sie organisierte bislang den am 1. Juni veröffentlichten "Münchener Appell" an Innenminister Günther Beckstein gegen das Berufsverbot für Sascha Jung und die Ausgrenzung politisch mißliebiger Bürger durch die Behörden des Verfassungsschutzes.

Kontakt: Postfach 340 146, 80098 München, Fax: 089 / 43 75 99 26, Internet: www.akademische-freiheit.de 

 

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