© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/07 01. Juni 2007

"Menschenrechtsgruppe statt Menschenfresser"
Vertriebenentreffen: 58. Sudetendeutscher Tag in Augsburg / Posselt lädt tschechische Regierung zum Runden Tisch ein / Zentrales Museum geplant
Johannes Schmidt

Der 58. Sudetendeutsche Tag in Augsburg stand am vergangenen Wochenende unter dem Leitwort "Wir Sudetendeutschen - Brücke zur Heimat". Rund 40.000 Sudetendeutsche hatten sich über die Pfingsttage auf den Weg nach Augsburg gemacht, um die Erinnerung an die Heimat wachzuhalten und an das Unrecht der Vertreibung zu erinnern.

Der Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, der Europaabgeordnete Bernd Posselt (CSU), forderte die tschechische Regierung auf, ihre "hysterische Furcht" vor den Sudetendeutschen zu durchbrechen. Als vertrauensbildende Maßnahme schlug Posselt einen Runden Tisch mit Vertretern der Landsmannschaft und der tschechischen Regierung vor. "Die Sudetendeutschen sind keine Menschenfresser, sie sind eine europäische Menschenrechtsgruppe", sagte er.

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) übte in seiner Rede scharfe Kritik an der Regierung der Tschechischen Republik. Die durchaus spürbaren Fortschritte in der atmosphärischen Entwicklung zwischen beiden Ländern würdigend, mahnte der Schirmherr der Volksgruppe "daß es bei allem guten Willen - gerade auch seitens Deutschlands und einzelner Gruppen und Politiker im Nachbarland - massive Querschüsse auf politischer Ebene gegeben hat". Der gute Wille auf deutscher und gerade auch bayerischer Seite sei arg strapaziert worden, und gute Ansätze habe man immer wieder im Keim erstickt.

Stoiber wandte sich gegen jede Akzeptanz des Unrechts der Vertreibung. Die immer noch nicht gestrichenen Beneš-Dekrete, mit denen die Entrechtung von über drei Millionen Sudetendeutschen und Hunderttausenden Ungarn bewerkstelligt wurde, seien mit dem Geist und der Kultur Europas nicht vereinbar: "Und das Straffreistellungsgesetz von 1946 ist es ebensowenig. Letzteres wird nahezu von allen Völkerrechtlern moniert." Stoiber erinnerte auch daran, daß der ehemalige tschechische Ministerpräsident Miloš Zeman das Instrument der Vertreibung den Israelis empfohlen habe. Stoiber kritisierte: "Solche Äußerungen treffen, sie verletzen, sie reißen Wunden auf und heilen nicht".

Plädoyer für ein Zentrum gegen Vertreibungen

Daß es in Europa auch anders gehe, sei von dem ehemaligen Staatspräsidenten Lennart Meri von Estland demonstriert worden, der sich zum Recht auf Heimat bekannt und wörtlich gesagt habe: "Estland ist und bleibt offen allen Deutschen, die heute willig sind, von ihrem Recht auf die Heimat Gebrauch zu machen."

Herausgestellt wurde von Stoiber ebenfalls, daß Ungarn im vergangenen Jahr sogar eine Gedenkstätte und ein Denkmal für die vertriebenen Deutschen in Budaörs bei Budapest eingeweiht habe. Von der ungarischen Parlamentspräsidentin Katalin Szili seien die ungarischen Vertreibungsdekrete als "Dokumente der Schande" bezeichnet worden.

Ein "sehr wichtiges nationales Anliegen" nannte Stoiber die Einrichtung eines Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin: "Es ist mein fester Wille, dieses sichtbare Zeichen mit auf den Weg zu bringen." Es gebe wohl keinen Staat in Europa oder gar weltweit, der nicht an ein derart fundamentales Ereignis für Staat und Gesellschaft wie die Massenvertreibung erinnern würde. Ein "Zukunftsprojekt von herausragender Dimension" werde das zentrale sudentendeutsche Museum im Sudetendeutschen Haus in München. Im Etat von Sozialministerin Christa Stewens (CSU) sollen dafür 2007 und 2008 300.000 Euro zur Verfügung stehen.

Mit Aufmerksamkeit wurde die Warnung Stoibers registriert - die offenkundig auch an die Schwesterpartei CDU gerichtet war -, die deutsche Politik dürfe auf keinen Fall die konservativen Wähler und die den Vertriebenen besonders verbundenen Wählerschichten ignorieren oder vernachlässigen. Dies würde sich äußerst negativ auswirken.

Zu den Höhepunkten des Sudetentages in Augsburg gehörte die Verleihung der höchsten Auszeichnung der Sudetendeutschen Landsmannschaft, des Europäischen Karlspreises, an den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU).


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