© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/07 01. Juni 2007

Eine neue Niere für Big Brother
Weiterer Schritt auf dem Weg in die kollektive Verblödung: "Die große Spendershow" in den Niederlanden
Andreas Wild

An diesem Freitag flimmert in den Niederlanden zur besten Sendezeit ein bisher wohl einmaliges Event über die Fernsehbühne: eine sogenannte "Spenderschau". Eine Sterbende versteigert vor laufenden Kameras ihre Nieren an bedürftige Dialysepatienten, oder sie versteigert sie auch nicht, sondern verschenkt sie an diejenigen, die ihr am besten gefallen oder für die sich die Zuschauer per SMS-Abstimmung entscheiden. Jedenfalls gibt es zum ersten Mal einen öffentlichen Organ-Basar, der sogar live übertragen wird und das Publikum direkt einbezieht.

Das Unternehmen ist degoutant und obszön von vorne bis hinten. Zwar versichert die Produktionsfirma Endemol ("Big Brother"), die das Ganze produziert hat, mit frommem Augenaufschlag, daß man nur das Beste im Sinn habe, einzig auf den schmerzlichen Mangel an Organspendern aufmerksam machen wolle. Aber in Wirklichkeit ist man natürlich auf die Sensation aus, auf den Tabubruch, auf die Einschaltquote. Mit Rekordzahlen wird gerechnet, versichern die Programmzeitschriften.

Merkwürdigerweise richtet sich der hier und da vernehmbare Zorn über "Die große Spendershow" in erster Linie nicht gegen die Produzenten, sondern gegen die sterbende Spenderin. Das ist ungerecht, denn diese ist am wenigsten schuld. Sie nimmt ja lediglich eine Chance wahr, die ihr geboten wird, die Chance, im Abtreten noch einmal ganz groß herauszukommen und viel Geld zu verdienen, welches sie dann sofort ihren geliebten Kindern oder wohltätigen Organisationen hinterlassen kann. Sie ist eher Opfer, nicht Täterin.

Die rote Karte für die Untat geht voll an die Produzenten. Und auch an das sensationsgeile Publikum, das sich an der Tragik der Situation weiden möchte. Produzent und Massenpublikum sind verantwortlich dafür, daß wieder einmal die öffentliche Schamschwelle dramatisch gesenkt wird. Der Verlust der Scham aber, wußte schon der Psychoanalytiker Sigmund Freud, ist der Anfang der Verblödung.


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