© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/07 08. Juni 2007

Jungs vertane Chance
Gedenkpolitik: Weiter Streit um Standort für Bundeswehr-Denkmal / Verteidigungsminister wird Mißachtung des Parlaments vorgeworfen
Paul Rosen

Das Niveau einer Nation zeigt sich am Umgang mit ihren Toten. Um Deutschland war es bisher nicht gut bestellt. Ehrenmäler für die Gefallenen der Kriege wurden serienweise abgerissen oder an Stadtränder verlagert. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) will den Trend umdrehen: Er plant ein Ehrenmal für die Soldaten, die in Auslandseinsätzen ums Leben gekommen sind. Das Vorhaben droht zu einer Peinlichkeit zu werden. Dabei hatte Jung mit dem Ehrenmal eine Initiative aus der breiten Masse der Soldaten aufgenommen.

Angehörige der Bundeswehr hatten Klage geführt, daß es zwar Ehrenmäler der jeweiligen Teilstreitkräfte wie Heer, Marine und Luftwaffe gebe, aber keinen zentralen Ort des Gedenkens. Seit Gründung der Bundeswehr sind 2.600 Soldaten im Dienst ums Leben gekommen. Bei Auslandseinsätzen starben bisher 69. Im vergangenen Jahr hatte Jung erstmals die Idee aufgegriffen und angekündigt, es auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums in Berlin, dem Bendlerblock, errichten zu wollen. Dort befindet sich bereits die Gedenkstätte für die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944.

Schon früh bekam Jung Widerstand zu spüren. Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff forderte den Minister auf, das Ehrenmal nicht im abgelegenen Bendlerblock, sondern in unmittelbarer Nähe des Reichstages errichten zu lassen. Dann schlief die Debatte wieder ein. Jung ließ Entwürfe fertigen und will das Ergebnis Mitte Juni im Verteidigungsausschuß des Bundestages vorstellen. Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Angeblich sollen am Ehrenmal die Namen der Toten aufgelistet werden. Dabei ist offenbar daran gedacht, die Namen elektronisch anzeigen zu lassen, etwa auf einem Laufband, um nicht Platz für künftige Gefallene freihalten zu müssen. Inzwischen hat wieder eine breite Debatte eingesetzt. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte: "Ich will nicht, daß das versteckt im Bendlerblock steht." Abgeordnete der Regierungsfraktionen Union und SPD sowie der FDP argumentieren, daß die Bundeswehr eine Parlamentsarmee sei. Deshalb müsse das Ehrenmal am Reichstag stehen. Auch der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei ist für einen Standort am Reichstag. Jungs Standortentscheidung sei "ausgesprochen unsensibel", so der Grüne.

Die Bundestagsvizepräsidenten Petra Pau (Linkspartei) und Wolfgang Thierse (SPD) fordern von Jung, die Standortentscheidung dem Parlament zu überlassen. Thierse lehnt aber ein Ehrenmal am Reichstag ab. Dort gebe es schon genug Gedenkstätten. Eine "Inflation von Denkmälern" würde deren Bedeutung relativieren, so der SPD-Politiker. Er warf Jung darüber hinaus vor, eine Politik der Geheimniskrämerei und der Mißachtung des Parlaments zu betreiben. Pau beklagte, daß es bisher nur eine verkürzte Debatte gebe. Ihr sei bisher nicht klar, was mit dem Denkmal ausgedrückt werden solle. Vielleicht wolle sich Jung selbst ein Denkmal setzen, spottete die Linkspartei-Politikerin.

So weit dürfte es auf keinen Fall kommen. Jung hat im Gegenteil eine große Chance vertan. Der Verteidigungsminister hätte auf diesem wichtigen Feld eine breite politische Debatte eröffnen und ein Denkmal an einem zentralen Berliner Ort, etwa in der Neuen Wache Unter den Linden vorschlagen müssen. Natürlich hätte er so eine Idee nicht durchsetzen können. Aber der Standort Reichstag wäre damit sicher gewesen. So hat der Verteidigungsminister es sich mit Teilen des Parlaments verdorben und bekommt möglicherweise doch nur eine "Kranzabwurfstelle" am Bendlerblock. Der Bundeswehr und ihren Soldaten wird damit keine Ehre erwiesen. Das Parlament schickt die Soldaten in die Einsätze, und ein Ehrenmal für die Gefallenen ist geeignet, die Abgeordneten an ihre Verantwortung zu erinnern. Jung hat bisher nur eines erreicht: Er hat deutlich gemacht, daß er in seinem Amt nicht angekommen und überfordert ist.

Foto: Hof des Bendlerblocks mit dem Denkmal für den 20. Juli 1944, Platz vor dem Reichstag : Droht eine "Kranzabwurfstelle"?


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