© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/07 08. Juni 2007

Keine Chance für Bayrou und Le Pen
Frankreich: Der neue Präsident Sarkozy rechnet bei den Parlamentswahlen mit einer klaren Bestätigung
Alain de Benoist

Auch in Frankreich gibt es eine "Gnadenfrist" des öffentlichen Wohlwollens, unter deren Schutz ein neues Staatsoberhaupt während der ersten Monate seiner Amtsführung steht. So erklärt sich, warum jedesmal, wenn die Parlamentswahlen unmittelbar auf eine Präsidentschaftswahl folgten - 1981, 1988 und 2002 - der neue Staatschef die erhoffte Mehrheit zugesprochen bekam. In diesem Jahr wird es vermutlich ähnlich aussehen, wenn am 10. und 17. Juni 44,5 Millionen Stimmberechtigte an die Wahlurnen gerufen werden, um 577 Parlamentssitze zu vergeben, um die sich derzeit 7.750 Kandidaten bewerben. Alle rechnen mit einer "blauen Welle", also einem Erdrutschsieg von Nicolas Sarkozys bürgerlicher Präsidentenpartei UMP, während sich für die oppositionellen Sozialisten (PS) eigentlich nur die Frage stellt, wie schwer ihre Niederlage ausfallen wird.

Die Linke agiert nur noch aus der Defensive heraus

Mit einer Zustimmungsrate, die aktuellen Umfragen zufolge bei 37 Prozent (Wahl 2002: 33,3 Prozent) liegt, dürfte die UMP - dank des reinen Mehrheitswahlrechts - sogar 336 bis 415 Wahlkreise gewinnen. Die PS hingegen kann mit 28 Prozent (2002: 24,1 Prozent) nur auf 149 bis 190 hoffen, was knapp über den derzeitigen 141 läge. Es geht daher nur um die Frage, ob die UMP nur die absolute oder sogar eine Zwei-drittelmehrheit erreicht.

Nach drei gescheiterten Anläufen bei den Präsidentschaftswahlen steht die PS, die zu einer Funktionärspartei verkommen ist, nun vor dem Scherbenhaufen eines veralteten Programms und Bündnissystems. Die Kommunistische Partei (PCF), die zu Beginn der siebziger Jahre über 20 Prozent erzielte und 1981 bei den Präsidentschaftswahlen auf 15,3 Prozent kam, ist heute mit unter zwei Prozent (2002: 4,8 Prozent) nur ein Phantom. Die Linke agiert aus der Defensive heraus. Ihr Wunschziel ist, jene 203 Wahlkreise zu halten, in denen die PS-Kandidatin Ségolène Royal ihren Rivalen Sarkozy am 6. Mai übertrumpfen konnte - vor allem jene, die in der derzeitigen Parlamentsperiode von einem rechten Kandidaten vertreten werden. Insbesondere in der Bretagne könnte die PS durchaus Sitze hinzugewinnen. Ihre Parole lautet: Man dürfe Sarkozy nicht "alle Macht" überlassen.

Die einzige Unbekannte ist das Ergebnis von François Bayrous neuer Partei Mouvement Démocrate (MoDem), die eigenen Angaben zufolge bereits 75.000 Aufnahmeanträge erhalten hat und 535 Kandidaten aufstellt. Bislang kann sie laut Umfragen nur mit 14 Prozent rechnen. Bayrous 1978 zur Unterstützung von Präsident Valéry Giscard d'Estaing gegründete UDF erreichte 2002 nur 4,9 Prozent. Beim MoDem-Gründungskongreß am 24. Mai in Paris kamen sechstausend Leute zusammen. Der Drittplazierte der Präsidentschaftswahlen weiß, daß Sarkozy und die UMP alles tun werden, um ihn aus der politischen Landschaft hinwegzufegen. Er selber muß zudem in seinem Wahlkreis Pyrénées-Atlantiques erstmals gegen einen UMP-Kandidaten antreten. Der Zentrist kann daher nur auf die Entwicklung der PS bauen.

Die PS wiederum muß sich damit abfinden, daß die 1971 von François Mitterrand formulierte Strategie einer geeinten Linken aus Mangel an geeigneten Partnern nicht mehr funktioniert. Da zusammen mit den Trotzkisten (2002 zusammen 4,2 Prozent), PCF, Grünen (2002: 4,5 Prozent) und anderen eine Rückkehr an die Macht aussichtslos erscheint, setzen manche nun auf Bayrou. Die PS wird sich entscheiden müssen, ob sie sich um ein Bündnis oder wenigstens "neue Übereinkünfte" (Ségolène Royal) mit der politischen Mitte bemüht, sich aus Erwägungen des "Realismus" in eine sozialdemokratische Partei nach dem Vorbild der Nachbarländer umwandelt (Ex-Minister Dominique Strauss-Kahn) oder aber einen konsequent "linken" Kurs verfolgt (Ex-Premier Laurent Fabius). Letzterer Weg könnte beispielsweise die Gründung einer "progressiven Partei" ähnlich Oskar Lafontaines WASG bedeuten. Diese Entscheidung könnte zu einer Spaltung der PS führen. Deswegen hat Bayrou, der darauf setzt, daß weder der PS die eigene Erneuerung noch Sarkozy die Sanierung des Landes gelingt, kurzfristig mehr zu gewinnen, indem er sich der Linken zuwendet, anstatt mit der Rechten zu verhandeln.

Trotz aller Anstrengungen seines Parteivorsitzenden Jean-Marie Le Pen, der sich darauf versteift hat, nur in den zwanzig wichtigsten Regionen Frankreichs Wahlkampf zu betreiben, steht der Front National (FN) vor dem großen Problem, die miserablen 10,4 Prozent aus den Präsidentschaftswahlen (2002: 16,9 Prozent) zu verbessern. Momentan sprechen ihm die Umfragen derzeit nur vier bis sieben Prozent (2002: 11,3 Prozent) zu.

Sarkozy hat den FN buchstäblich geplündert

Somit dürfte es den von Le Pen unterstützten Kandidaten schwerfallen, die zweite Wahlrunde zu erreichen (Mindestvoraussetzung hierfür ist ein Ergebnis von 12,5 Prozent der Wahlberechtigten, also etwa 16 Prozent der tatsächlich abgegebenen Stimmen in der ersten Runde). Dadurch könnte der FN auch finanziell in eine schwierige Situation geraten, da die staatlichen Zuschüsse für die Parteien auf der Grundlage ihrer Ergebnisse bei den Parlamentswahlen berechnet werden.

Die Parlamentswahlen dürften bestätigen, daß ein Großteil der FN-Wählerschaft zu Sarkozy abgewandert ist. Bei den Präsidentschaftswahlen entsprachen vor allem im Süden Frankreichs die Verluste des FN fast den Zugewinnen für Sarkozy. In der ersten Wahlrunde konnte dieser ganze 28 Prozent der FN-Wähler von 2002 an sich binden. In der Stichwahl gaben 63 Prozent derjenigen, die im ersten Durchgang Le Pen gewählt hatten, Sarkozy ihre Stimme.

Anders als sein Vorgänger Jacques Chirac hat Sarkozy schnell begriffen, daß das beste Mittel, den FN zu schwächen, nicht etwa die frontale Konfrontation, sondern die Übernahme seiner Rhetorik ist. Entsprechend ist er während seines Präsidentschaftswahlkampfs nie vor einem Wort oder einer Geste zurückgeschreckt, die zur Verführung der FN-Wählerschaft geeignet schien.

Daß die Strategie aufging, beweist einmal mehr, daß die bürgerliche Rechte besser geeignet ist als die Linke oder die extreme Linke, die "radikale" Rechte zu bekämpfen. Historisch betrachtet ist die Rechte nie von der Linken besiegt worden, sondern stets von einer gemäßigten Rechten, die ihr Erbe geschickt zu übernehmen wußte. Le Pens großer Fehler bestand darin, daß er das Ausmaß dieser Bedrohung nicht rechtzeitig wahrgenommen und Sarkozy von Anfang an als seinen bedeutendsten Widersacher erkannt hat.

Foto: Nationalversammlung in Paris: Dank Mehrheitswahlrecht Zweidrittelmehrheit für die Präsidentenpartei


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