© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/07 08. Juni 2007

Frisch gepresst

Deutsche und Polen. Anläßlich des Deutsch-Polnischen Jahres fand 2006 in Genshagen südlich von Berlin die Abschlußkonferenz "Erinnerung im Dialog" statt (JF 9/06 und JF 11/06). Neben Polit-Granden wie Richard von Weizsäcker oder Bronisław Geremek analysierten dort auch jüngere Historiker diesseits und jenseits der Oder - sich süffisant als "Versöhnungselite" titulierend - über die Schwierigkeiten, eine gemeinsame Erinnerung der blutigen Vergangenheit zu gestalten. Um "nicht alte Wunden aufzureißen", gaben dabei natürlich insbesondere deutsche Historiker penibel acht, neben der Anklage eigener nationaler Untaten die in Polen weitestgehend unaufgearbeitete dunkle Historie - angefangen vom National-Chauvinismus der Zwischenkriegszeit bis zur Massenvertreibung nach 1945 - möglichst zu verschweigen. Nun liegen die Tagungsreden in Buchform vor, wobei aus der substanzarmen Rhetorik vieler deutschen Beiträger die interessanten Berichte der polnischen Historiker Andrzej Przewoźnik und Feliks Tych über die Aufarbeitung innerpolnischen historischen Ballasts aus kommunistischer Zeit bzw. polnischer antisemitischer Exzesse herausragen. Seltsamerweise fehlt der Beitrag des Leipziger Historikers Stefan Troebst, der als einziger auf die elementaren Unterschiede in der deutsch-polnischen Erinnerungskultur hinwies (Anna Hofmann, Basil Kerski, Hrsg.: Deutsche und Polen: Erinnerung im Dialog. Fibre Verlag, Osnabrück 2007, broschiert, 170 Seiten, Abbildungen, 19,50 Euro).

Heimatverluste. Die Journalistin und langjährige Zeit-Korrespondentin in Warschau, Helga Hirsch, hatte sich bereits 2004 mit Biographien deutscher Vertriebener auseinandergesetzt ("Schweres Gepäck", JF 45/04). Nun hat sie abermals Zeitzeugen aufgesucht, um deren persönliche Traumata über Heimatverlust, Vertreibung und Verschleppung zu publizieren. Dabei hat sie allerdings neben ostdeutschen Vertriebenen auch anderen Opfern menschenverachtender Ethno-Selektion aus dem Großlabor zwischen Oder und Bug eine Stimme gegeben. "Umsiedler" aus Bessarabien oder dem Baltikum erzählen genauso ihre tragischen und mitreißenden Geschichten wie verfolgte Schtetl-Juden Galiziens, aus dem "Warthegau" vertriebene oder in die Sowjetunion verschleppte Polen und nach 1945 "ethnisch gesäuberte" Ukrainer (Entwurzelt. Vom Verlust der Heimat zwischen Oder und Bug. Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2007, gebunden, 292 Seiten, Abbildungen, 20 Euro).


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