© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/07 15. Juni 2007

Dem Biber soll es an den Pelz gehen
Naturschutz: Bayerische Landtagsabgeordnete betreiben die Aufweichung des Artenschutzes / Reaktion auf Klagen von Bauern
Thomas Moritz

Meister Bockert" hatte es früher nicht leicht: Sein Territorialsekret, das "Bibergeil", war als Allheilmittel begehrt, man jagte ihn seines Pelzes wegen, und da man ihn kurzerhand zum Fisch erklärte, mußte er als Fastenspeise herhalten. 1867 wurde der letzte bayerische Biber erlegt. Knapp hundert Jahre später begann der Bund Naturschutz (BN) 1966 mit der erfolgreichen Wiederansiedelung des größten heimischen Nagers. Heute leben im Freistaat etwa 10.000 der Tiere in 2.500 Revieren.

Manchem ist das ein wenig zu erfolgreich: Land- und Forstwirte klagen über Baumfällungen und Überflutungen durch Dammbauten, ab und an bricht eine landwirtschaftliche Maschine in eine Biberröhre ein, und vor allem im Zusammenhang mit Kraftwerken oder Kläranlagen stehen die Biberberater der Landratsämter oftmals vor schwierigen Aufgaben, "die man nicht verharmlosen sollte", so ein Biberberater aus dem niederbayerischen Plattling.

Nun scheinen die Zeiten für den Biber im Freistaat deshalb wieder etwas härter zu werden: Die betroffenen Landwirte sind aufgebracht - sie fühlen sich, da Wildtierschäden nicht ersetzt werden, in oft schwieriger wirtschaftlicher Lage im Stich gelassen. Die Emotionen gehen mittlerweile recht hoch: Im Landkreis Regen steckten Ende Mai unbekannte Täter einen Biberbau in Brand; der Nachwuchs verbrannte dabei jämmerlich. Vor allem niederbayerische und mittelfränkische Abgeordnete drängen auf eine Aufweichung der Schutzvorschriften. Die Staatsregierung scheint dieses Ansinnen zu übernehmen, denn sie strebt jetzt für die anstehende Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes an, daß Fang und Abschuß in bestimmten Fällen erleichtert werden. Künftig soll dies dort generell möglich sein, wo etwa Hochwasserschutzanlagen oder Kläranlagen gefährdet sind.

Für Naturschützer ist an diesen Bestrebungen politisch einiges faul: So meint etwa Roland Schwab, Chef der niederbayerischen Kreisgruppe Regen des BN, daß die betreibenden Landtagsabgeordneten ansonsten wenig von sich reden machten und mit dem Biberthema lediglich versuchten, ihre Chancen für die Landtagswahl im nächsten Jahr zu verbessern. Indes vermutet der BN, daß der Biber und die aufgebrachten Landwirte als politisches Vehikel dafür benutzt werden, mit Landschaftseingriffen verbundene Investitionen zu erleichtern.

Sachlich bleibt nach Ansicht des BN nicht eben viel von der Argumentation der "Bibergegner" über: Neunzig Prozent der Lebensräume seien konfliktarm, und die allermeisten Konflikte zwischen Tier und Mensch könnten von "Biberberatern" gelöst werden. Keineswegs würden sich die Pflanzenfresser, wie behauptet wird, unkontrolliert vermehren: Der mögliche Lebensraum ist klar abgegrenzt - etwa zwanzig Meter vom Ufer entfernt ist Schluß. Sind alle Reviere in diesem Gebiet besetzt, regulieren gnadenlose Territorialkämpfe den Bestand, hinzu kommen Krankheits- und Parasitendruck.

Das Problem beschränkt sich also auf diese Uferzone, doch sehen die Naturschützer gerade in seiner "landschaftsgestalterischen Tätigkeit" die große Bedeutung des Nagers: Die entstehende Auenlandschaft ist Lebensraum zahlreicher Arten, darunter auch vieler vom Aussterben bedrohter. Das vom Biber ins Wasser eingebrachte Totholz erhöht dort durch Verwirbelungen den Sauerstoffgehalt. In der direkten Umgebung von Biberburgen findet sich eine bis zu achtzigmal höhere Fischdichte als sonst.

Auch unter Gesichtspunkten des Hochwasserschutzes sei der Biber bemerkenswert, da sein nasses Reich geradezu Unmengen von Wasser aufnimmt. Im Endeffekt stelle sich dabei die Frage, ob das Problem überhaupt die Biber seien oder ob es nicht doch die falsche Nutzung von Flächen ist, die sich rächt.

Foto: Arbeitsamer Biber: Seine landschaftsgestalterische Tätigkeit ist wichtig für den Hochwasserschutz


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen