© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/07 15. Juni 2007

Partisanen des Halbmondes
Udo Ulfkotte warnt vor falscher Toleranz gegenüber Islamisten in Europa mit ihrem ideologischen Rüstzeug der Muslimbruderschaft
Peter Freitag

Wer in den siebziger oder achtziger Jahren ein Buch geschrieben hätte, das die Unterwanderung der Bundesrepublik durch die DDR-Staatssicherheit in dem uns heute bekannten Ausmaß darstellte, wäre von der Kritik mit Sicherheit als unglaubwürdiger Paranoiker oder unversöhnlicher "Kalter Krieger" abgetan worden. Dies sollte im Hinterkopf behalten, wer Udo Ulfkottes aktuelle Schrift "Heiliger Krieg in Europa - Wie die radikale Muslimbruderschaft unsere Gesellschaft bedroht" liest und das Dargestellte für zu abstrus befindet. Denn was der Enthüllungsjournalist auf den gut 300 Seiten aufbietet, ist tatsächlich starker Tobak.

2001 sei bei einer Hausdurchsuchung im schweizerischen Lugano ein 14seitiges Strategiepapier - verfaßt bereits im Jahre 1982 - gefunden worden, das zeigt, wie die Muslimbruderschaft langsam, aber sicher gesellschaftlichen und politischen Einfluß auf die Geschicke westeuropäischer Staaten nehmen will. Vorgesehen sei in diesem "Masterplan", von dessen Entdeckung europaweit keine große Zeitung berichtete, die langfristigen Ziele wie etwa die Einführung der islamischen Scharia zu verschleiern und offen sichtbare Bündnisse mit extremistischen Organisationen zu vermeiden. Innerhalb islamischer Organisationen seien jedoch Netzwerke zu bilden, und Muslimbrüder sollten in demokratische Institutionen eingeschleust werden. Allianzen mit "progressiven" westlichen Bewegungen seien als Türöffner gedacht, während gleichzeitig - verdeckt - terroristische Aktivitäten im Nahen Osten finanziell durch die Muslimbrüder unterstützt würden.

Ulfkotte schildert nicht nur die Geschichte dieses 1928 in Ägypten von Hassan al-Banna gegründeten Geheimbundes, er erläutert auch die politischen und religionsgeschichtlichen Grundlagen für dessen radikalen Auserwählt­heitsgedanken. Vor allem aber zeigt Ulfkotte auf, in welcher Form seiner Einschätzung nach einzelne Vorgaben des erwähnten Strategiepapiers bereits in die Realität umgesetzt worden seien. Da ist die Rede vom "Krieg" durchaus berechtigt, wenn der Autor darauf hinweist, daß jeder blutige Konflikt zunächst mit einem psychologischen Orlog beginnt - den zu verlieren wir auf dem besten Wege sind, so Ulfkotte. Im ersten Teil seines Buches, überschrieben mit "Halbmond über Europa", geißelt er jenes europäische "Dhimmitum", also jene politisch korrekte Haltung, mit der man den muslimischen Einwanderern entgegenkommt und dabei eigene kulturelle Werte und jahrhundertealte Traditionen aufgibt. Ulfkotte bietet einen abwechslungsreichen Streifzug durch den multikulturellen Irrsinn, unterhaltsam haarsträubend einerseits, furchterregend andererseits, wenn man die Konsequenzen im Blick behält. Es reicht von der zu vermeidenden "Provokation" durch die Schweizer Nationalflagge über den Rückzug des Schweinespecks aus englischen Kantinen bis hin zur Verweigerung der Mitnahme von Blindenhunden in Taxis, die von Mohammedanern gesteuert werden.

Das sind die kuriosen Einzelheiten. Schlimmer sehen die Zustände in demographischer Hinsicht aus; sie führen dazu, daß Europa in einigen Dezennien einerseits sehr alt, andererseits aber sehr muslimisch aussehen wird. Aus übertriebener Toleranz, Blindheit für die Realität und Bequemlichkeit weigern sich die Westeuropäer immer noch, entsprechend gegenzusteuern.

Ulfkotte kritisiert zudem die Fixiertheit, mit der Medien und Politik hierzulande beim islamistischen Terrorismus wie gebannt auf "al-Qaida" starren, während andere und ältere Organisationen sich längst in Europa etabliert haben und von hier aus die Fäden ziehen. Ihr Einfluß reicht von "humanitären" Vereinigungen bis hin zur organisierten Kriminalität.

Wenn sich der Verfasser auf anonyme Informanten aus den Sicherheitsdiensten beruft, zu denen er seit seinen früheren Enthüllungsbüchern offenbar gute Kontakte unterhält, ist eine fehlende Quellenangabe nachvollziehbar. Allerdings beläßt es Ulfkotte auch bei anderen Fußnoten manchmal nur bei einem allgemeinen Verweis auf eine Internetseite; handelt es sich dann auch noch um eine Propagandaplattform aus dem Umfeld amerikanischer "Neocons", ist der Tatsachenbeweis für die entsprechende Aussage allerdings zu dünn.

Störend und vor allem überflüssig ist in diesem Buch auch Ulfkottes Anbiederung an Bassam Tibi, der noch dazu das Vorwort beisteuerte. Die Politik in Deutschland habe, so beklagt Ulfkotte, Tibi jahrzehntelang die "kalte Schulter gezeigt" und ihn beispielsweise auch nicht zur im vergangenen Herbst erstmals einberufenen Islamkonferenz eingeladen. Aufgrund dieser Mißachtung und der "scheinbar unaufhaltsamen Entwicklung in Deutschland" sei dieser renommierte Islamkritiker nun in die USA ausgewandert. Hier hat sich der Journalist Ulfkotte allzu leichtfertig zum Sprachrohr des nicht gerade uneitlen oder medienscheuen Professors gemacht. Denn erstens trägt die deutsche Politik für vieles die Schuld, aber gerade nicht dafür, daß außer Tibi selbst praktisch kein anderer Moslem an dessen gemäßigten "Euro-Islam" glaubt. Freilich taugt der gebürtige Syrer, der erklärtermaßen als säkularer Linksintellektueller und Verehrer der Frankfurter Schule nach Deutschland kam, nicht unbedingt zum Religionsstifter.

Und zweitens ist Tibis Fortgang auch weniger spektakulär zu begründen; nämlich mit der Unzufriedenheit des Politikwissenschaftlers, an seiner hiesigen Universität in Göttingen keine höherdotierte Professur zu bekommen, und der Tatsache, daß ihm in Amerika mehr Geld und akademische Meriten geboten würden (wie er in seinen Vorlesungen gern betonte).

Nicht nachvollziehbar ist auch Ulfkottes Hinweis, man müsse die Religionsfreiheit um des "demokratischen Konsenses" willen notfalls einschränken; daher sei nicht nur muslimische Intoleranz zu bekämpfen, sondern auch beispielsweise ein "christlicher Fundamentalismus", der sich gegen die in den Schulen gelehrte Evolutionslehre wende. Hier argumentiert Ulfkotte ähnlich krude wie Alice Schwarzer, bei der auf einmal der Islam als Bedrohung des Feminismus an erster Stelle steht und die ein "Recht auf Abtreibung" etwa für einen abendländischen Wert hält.

Schließlich ist es nicht der "Masterplan" der Muslimbrüder, ja nicht einmal der Islam an sich, der Europa verändert, sondern die in Namen des aufgeklärten Liberalismus wirtschaftlich und politisch gewollte oder zugelassene Masseneinwanderung kulturell Fremder.

Udo Ulfkotte: Heiliger Krieg in Europa. Wie die radikale Muslimbruderschaft unsere Gesellschaft bedroht. Eichborn Verlag, Frankfurt/Main 2007, gebunden, 304 Seiten, 19,90 Euro

Foto: Sympathiekundgebung von Muslimbrüdern am 28. Februar 2007 für Khayrat al-Shater (rechts unten), einen ihrer in Kairo vor Gericht stehenden Führer: Jeder blutige Konflikt beginnt mit einem psychologischen Orlog, den zu verlieren wir auf dem besten Wege sind


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