© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/07 15. Juni 2007

Eine einvernehmliche Lösung steht bis heute aus
Vor 25 Jahren endete der Falkland-Krieg zwischen Großbritannien und Argentinien, die bis heute auf ihre Rechte im Südatlantik pochen
Peter Freitag

Als vor 25 Jahren, am 14. Juni 1982 um 21 Uhr Ortszeit, der argentinische General Mario Menéndez in Port Stanley die Kapitulationsurkunde vor dem Befehlshaber der britischen Expeditionsstreitkräfte, Generalmajor Jeremy Moore, unterzeichnet hatte, endete nach nur zweieinhalb Monaten die Herrschaft der Argentinier über die vor ihrer Küste gelegenen Falkland-Inseln. Nur 74 Tage hatte der Krieg um die Inselgruppe gedauert, der von keiner der verfeindeten Parteien "erklärt" worden war und in dem etwa 650 argentinische und 260 britische Soldaten starben.

Schon kurz nach Ende der Kämpfe zogen viele Beobachter die Bilanz, daß es eigentlich ein "überflüssiger" Krieg gewesen sei; und in beiden beteiligten Ländern kam jeweils eine Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, daß ein Konflikt dieses Ausmaßes weder von Argentinien noch von Großbritannien gewollt war. Vor allem verstörte der Konflikt die Öffentlichkeit des Jahres 1982, weil er - im Zeitalter der beiden großen "Blöcke" und auf dem Höhepunkt der Debatte um die Nachrüstung der Nato mit nuklearen Mittelstreckenraketen in Westeuropa - so anachronistisch wirkte, sowohl hinsichtlich seines Anlasses als auch hinsichtlich der konventionellen Art und Weise, wie er geführt wurde. Und tatsächlich schwelte der Streit um die Inselgruppe schon lange.

Anspruch aus spanischer Rechtsnachfolge abgeleitet

Seit 1816 erhoben die Argentinier Anspruch auf die Malvinen, so ihre argentinische Bezeichnung. Diesen leiteten sie aus der historischen Rechtsnachfolge der spanischen Krone ab. Die Spanier hatten ihrerseits die Besitzrechte den Franzosen abgekauft und 1770 die Engländer, die 1765 erstmals auf West-Falkland gelandet waren, kurzzeitig vertrieben. 1820 hatten erstmals die Vereinigten Provinzen des Rio de la Plata - der Vorläufer Argentiniens - einen Stützpunkt errichtet, waren jedoch einige Jahre später von den Engländern vertrieben worden. 1892 erhob die britische Krone die Falkland-Inseln in den Status einer Kolonie.

Für die Argentinier ging es also auch um eine "Entkolonialisierung" der Malvinen; daneben hatten sie geographische und völkerrechtliche Gründe anzubringen. Demnach seien die Inseln als die Fortsetzung der patagonischen Küste anzusehen, außerdem hatten die Vereinten Nationen 1974 mit breiter Mehrheit festgestellt, daß sich das Uno-Entkolonialisierungsprogramm auch auf die Malvinen beziehe. Der von Argentinien beanspruchten Souveränität setzten die Briten entgegen, für sie habe das Selbstbestimmungsrecht der Inselbewohner, der sogenannten Kelper, Vorrang. Ihre Prämisse lautete, daß kein Staat sich ein umstrittenes Territorium, auf welches er Anspruch erhebt, mit Waffengewalt aneignen dürfe. Nach der argentinischen Invasion am 2. April 1982 auf den Falklands machte die konservative Premierministerin Margaret Thatcher klar, daß "ein Räuber nicht mit seiner Beute davonkommen darf".

Für beide Seiten nahm die Auseinandersetzung schnell auch die Dimension eines Kampfes um die nationale Ehre an. Das argentinische Regime unter General Leopoldo Galtieri hatte ohnehin auch innenpolitische Absichten. Die unter Druck geratene Junta einte das Volk mit dem Handstreich quasi über Nacht, und selbst die Opposition jubelte angesichts des Befreiungsschlags. Um so gewaltiger kippte die Stimmung nach dem schmachvollen Ende des Unternehmens; Galtieri wurde gestürzt, und die Enttäuschung angesichts der Opfer des Krieges war überwältigend.

Demgegenüber erlebte die Regierung Thatcher in Großbritannien nach dem Sieg der königlichen Truppen ein immenses Zustimmungshoch, das sich unter anderem in konservativen Siegen bei 1982 stattfindenden Nachwahlen niederschlug. Dennoch war die Expedition in den entfernten Südatlantik alles andere als ein leichtes Spiel gewesen. Sowohl die dortigen Witterungsbedingungen als auch die argentinische Gegenwehr setzte den Briten zu. Nicht zuletzt die Verluste mehrerer Fregatten und Zerstörer durch argentinische Raketen bewies, daß die einstige Seemacht auch gegenüber einem unterlegenen Feind nicht unverwundbar war.

Außenpolitisch fühlte sich die argentinische Militärjunta zu ihrem Hasardspiel auch durch ihre feste Überzeugung ermuntert, daß die Amerikaner einen eskalierenden Waffengang zwischen zwei ihrer Verbündeten in letzter Minute verhindern würden. In der Tat hatte die Regierung des US-Präsidenten Ronald Reagan weit weniger Bedenken hinsichtlich der Zusammenarbeit mit lateinamerikanischen Diktaturen als die seines Vorgängers Carter. Das gemeinsame Interesse, gegen kommunistische Bewegungen in Südamerika vorzugehen und den Einfluß der Kubaner oder der Sowjets zurückzudrängen, überwog vorhandene Skrupel angesichts offenkundiger Menschenrechtsverstöße. So gehörten die US-Amerikaner mittelbar zu den "Verlierern" des Falkland-Krieges.

Außenminister Alexander Haig hatte in einer aufwendigen Pendeldiplomatie die Eskalation zwar verhindern wollen, Washington stellte sich schließlich jedoch hinter seinen transatlantischen Verbündeten und half diesem mit Satelliten-Aufklärung. Damit mußte es sich von Argentinien und anderen lateinamerikanischen Staaten vorwerfen lassen, es habe den auf der "Monroe-Doktrin" fußenden Pakt von Rion verraten, der den gegenseitigen Beistand der amerikanischen Staaten für den Fall einer Einmischung fremder Mächte vorsieht und deren Einmischung in inneramerikanische Angelegenheiten abwehren soll. So beeilte sich die Regierung Reagan schließlich, nach dem Krieg einer UN-Resolution zuzustimmen, die beide Konfliktparteien aufforderte, eine einvernehmliche Lösung der Falkland-Frage herbeizuführen. Dazu ist es bis heute nicht gekommen, da sowohl Briten als auch Argentinier auf ihrem jeweiligen Standpunkt beharren.

London hatte Warnungen vor einer Invasion mißachtet

Ein Vorwurf, den sich die britische Regierung gefallen lassen mußte, war jener der Untätigkeit im Vorfeld der argentinischen Invasion. Hätte man in London rechtzeitig die beunruhigenden Signale aus Buenos Aires erkannt und richtig gedeutet, hätte man schon früh eine Flotte zum Schutz der Inselgruppe in den Südatlantik in Marsch gesetzt, wäre mit solch einem Zeichen der Entschlossenheit wohl jede argentinische Aggression verhindert worden. Die Junta hatte aus der Haltung der Briten geschlossen, diese seien nicht bereit, in einen Krieg um die Inseln einzutreten. Denn in London wurde die Falkland-Frage immer wieder beiseite geschoben, obwohl ein Memorandum des Außenministeriums vorlag, welches auf ein einvernehmliches Abkommen mit den Argentiniern zielte. Selbst als deren Ton immer aggressiver wurde, sahen die Briten noch keinen Handlungsbedarf. Dem Kommandeur des kleinen Kontingents an Marineinfanteristen, das vor dem Krieg im Südatlantik stationiert war, versicherte man, daß keine argentinische Invasion drohe.

Einige Nato-Militärs zogen aus diesem Fall sofort die politische Lehre, der "Preis für eine ausreichende Abschreckung zur Kriegsverhinderung ist niedriger als der Preis für deren Versagen", so der Bundeswehrgeneral Dieter Farwick.

Foto: Argentinisches Ehrenmal für die Gefallenen des Krieges um die "Islas Malvinas" in der patagonischen Stadt Ushuaia: Die einstige Seemacht Großbrittanien zeigte sich als nicht unverwundbar


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