© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/07 22. Juni 2007

Dem Druck der Presse gebeugt
Hamburg: Die Versetzung der "NPD-Lehrerin" wirft die Frage nach der Rechtmäßigkeit auf
Arnold Steiner

Anfang des Monats wurde eine Hamburger Grundschullehrerin in den Innendienst versetzt, nachdem bekannt wurde, daß sie Mitglied der NPD und der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) ist. Ihr Mann, ebenfalls Mitglied der NPD und Lehrer an einer katholischen Schule in Hamburg, wurde zeitgleich entlassen (JF 25/07). Ihm wurde zudem vorgeworfen, Mitglied der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Studentenverbindung Chattia Friedberg zu sein.

Während die katholische Schule umgehend nach dem Bekanntwerden der Parteimitgliedschaft handelte, sah man in der Schulbehörde zunächst keine Möglichkeit für eine dienstrechtliche Maßnahme. Den fehlenden Grund für die Versetzung lieferte die Pädagogin offenbar selbst, als sie unter einem Pseudonym in einem Bericht des WDR unter anderem forderte, daß es Kindergeld nur für Deutsche geben solle, und betonte, ihr seien Rufe wie "Ausländer raus" lieber als "Deutschland verrecke". Nach derartigen Äußerungen sah die Behörde den Schulfrieden nachhaltig gefährdet und rechtfertigte so die Versetzung der Frau, die bei der Bundestagswahl 2002 für die Republikaner kandidiert hatte.

Unabhängig von der Frage, wie ein solches Verhalten zu werten ist und welche Konsequenzen insbesondere für eine Grundschullehrerin daraus zu ziehen sind, ist es interessant zu beobachten, wie mit einem derart politisch gelagerten Fall umgegangen wird. Besondere Beachtung verdient die örtliche Presse, die durch eine undifferenzierte Berichterstattung dafür sorgte, daß der Handlungsdruck auf die Schulbehörde wuchs. Welche Blüten es treiben kann, wenn rechts der Mitte Schlagzeilen gewittert werden, bewies eindrucksvoll das Hamburger Abendblatt. Das Lokalblatt lies sich zu der Schlagzeile hinreißen, die Lehrerin lasse die "verbotenen" ersten beiden Strophen des Deutschlandliedes singen. Erst nach einer Vielzahl von empörten Leserbriefen, die das Abendblatt darüber belehrten, daß kein solches Verbot vorliegt, ruderte das Springer-Blatt zurück und entschuldigte sich für derartige Falschdarstellungen.

Vergleich mit RAF-Terroristin Susanne Albrecht

In der Hansestadt hatte jedoch nicht nur die Presse einen handfesten Skandal gewittert, der über Tage die Schlagzeilen füllen konnte, auch das politische Hamburg überschlug sich mit Forderungen an die Schulbehörde, endlich zu handeln. Hamburgs SPD-Innenpoli-tikexperte Andreas Dressel mahnte, im Schuldienst müsse eine "Null-Toleranz-Linie gegen Verfassungsfeinde" gelten, und stellte fest, daß das Gedankengut der Frau "klar rechtsextrem" sei.

In Artikel 3 des Grundgesetzes heißt es dazu, daß niemand wegen seiner politischen Anschauung benachteiligt werden darf. Folgt man diesem vornehmen Grundrecht, ist genau zu prüfen, ab wann jemand den Bogen der politischen Betätigung überspannt. Angesichts der Neutralität, zu der Angehörige des öffentlichen Dienstes verpflichtet sind, sind hier zwar besondere Maßstäbe anzulegen, diese müssen jedoch für jegliche politische Couleur gelten.

Nach dem Hamburger Beamtengesetz steht es den Mitarbeitern frei, sich in erlaubten Organisationen politisch zu engagieren. Da es sich bei der NPD nicht um eine verboten Partei handelt, sondern um eine nach demokratischen Wahlen in zwei Landtagen vertretene Partei, kann die alleinige Mitgliedschaft unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten keine Benachteiligung nach sich ziehen. Zumal dann nicht, wenn die Privilegien des Rechtsstaates auch von anderen fragwürdigen Parteien wie der Linkspartei in Anspruch genommen werden.

Eine funktionierende Demokratie muß sich gerade dadurch auszeichnen, daß sie solche Randerscheinungen aushält und nicht in blinden Gesinnungsaktionismus verfällt. Dies gilt auch für die Presse, die durch ihre Berichterstattung und die damit einhergehende Beeinflussung der Leser eine enorme Verantwortung trägt. Selbst die ehemalige RAF-Terroristin Susanne Albrecht, die an einer Bremer Schule als Deutschlehrerin tätig ist, wird dort nicht als untragbar für den Staatsdienst angesehen, sondern als Beispiel für gelungene Resozialisierung gefeiert.

Momentan werden nach Auskunft der Bildungsbehörde Meldungen geprüft, wonach zwei Hamburger Lehrer bei den Krawallen in Rostock anläßlich des G8-Gipfels in Heiligendamm polizeiauffällig geworden sein sollen. Zu diesem Thema zeigt sich die örtliche Presse erstaunlich zurückhaltend.


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