© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/07 22. Juni 2007

Zweierlei Maß
Fall Käßmann: Evangelische Kirche suspendiert Kritiker
Wolfgang Fenske

Margot Käßmann ist im Amt, Werner Führer wurde suspendiert. Die eine ist Bischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, der andere ist Oberkirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe. Die eine hat sich nach 26 Ehejahren von ihrem Ehemann scheiden lassen, der andere hat die Bischöfin dafür kritisiert, daß sie trotz Ehescheidung in ihrem Amt verblieben ist. Am 12. Juni wurde Führer vom Landeskirchenrat, dem kirchenleitenden Gremium, dem er selbst angehört, für drei Monate von seinem Dienst suspendiert.

"Ein Bischof aber soll untadelig sein." (1. Timotheus 3,2). Hätte die hannoversche Landesbischöfin nicht nur ihr Scheitern eingestanden, sondern auch die Konsequenzen daraus gezogen und ihr Amt zur Verfügung gestellt - die Wege von Käßmann und Führer hätten wohl nie gekreuzt.

Doch so kam alles ganz anders: In einem Beitrag für die evangelische Nachrichtenagentur idea hatte der Oberkirchenrat den Rücktritt von Bischöfin Käßmann gefordert: "Amtsträger der Kirche können nicht gegen Gottes ausdrücklichen Willen handeln, ohne daß sie die Kirche unglaubwürdig machen. Vielmehr ist ein Schuldeingeständnis unabdingbar. Außerdem muß zum Schutz der Kirche und der Gemeinde sowie zur Vermeidung von Ärgernissen die Versetzung in ein anderes Amt vorgenommen werden. Damit wird öffentlich zum Ausdruck gebracht, daß Gottes heiliger Wille auch gegenüber den Amtsträgern der Kirche unverbrüchlich gilt."

Anzeichen, daß die Kritik Führers bei Bischöfin Käßmann Gehör finden würde, gab es freilich nicht. So hätte man sie zu den Akten genommen, hätte sich die Stimmung nicht binnen weniger Tage gedreht. Denn nicht nur liberale, auch konservative und evangelikale Kreise innerhalb der hannoverschen Landeskirche sprachen sich überraschend für einen Verbleib Käßmanns in ihrem Amt aus.

Für die Kirchenleitung der schaumburg-lippischen Kirche eine willkommene Gelegenheit, sich den konservativen Störenfried zur Brust zu nehmen. Treuherzig beteuerte die Pressestelle, nicht die Kritik an Bischöfin Käßmann sei ausschlaggebend gewesen für Führers Suspendierung, sondern der Umstand, daß ein "gedeihliches Zusammenwirken" innerhalb der Kirchenleitung nicht mehr möglich sei. Eine K.o.-Formel, gegen die sich juristisch kaum vorgehen läßt.

Inzwischen hat sich immerhin der Leiter des Gemeindehilfsbundes, Pfarrer Joachim Cochlovius, an die Seite Führers gestellt. Ein Verstoß gegen Schrift und Bekenntnis sei ihm nicht vorzuwerfen. Bei Bischöfin Käßmann ist der Fall anders gelagert. Doch sie ist wieder präsent - auf dem Kirchentag, im Fernsehen, in Gottesdiensten. Über Führers Zukunft werden die nächsten Wochen entscheiden.


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