© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/07 22. Juni 2007

Ehrenmal mit bitterem Nachgeschmack
Bundeswehr: Auch nach der Präsentation des Entwurfs zum Denkmal für die ums Leben gekommenen Soldaten reißt die Kritik nicht ab
Paul Rosen

Das Ehrenmal für die im Dienst und bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommenen Soldaten nimmt langsam Gestalt an. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) stellte in Berlin den Entwurf vor, der nach seiner Realisierung immerhin Trauern und würdevolles Gedenken möglich machen würde. Aber dennoch bleibt ein bitterer Nachgeschmack: Der Standort ist falsch, und die deutsche Einheit ist an diesem Verteidigungsminister offenbar spurlos vorübergegangen.

Doch zuerst zum Entwurf selbst, der auf eine Idee des Münchener Professors Andreas Meck zurückgeht: Das Denkmal soll auf dem Gelände des Bendler-Blocks, des Berliner Dienstsitzes des Verteidigungsministeriums, entstehen (JF 24/07). Das Ehrenmal für die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944, von denen einige unmittelbar nach dem Attentat auf Hitler im Hof des Bendler-Blocks hingerichtet wurden, ist zwar in der Nähe, aber nicht so nah, daß der Eindruck einer zentralen "Kranzabwurfstelle" für alle Anlässe entstehen könnte. Jung sagte, der ausreichende Abstand unterstreiche, daß das neue Ehrenmal die Bedeutung des Attentats auf Hitler für das Traditionsverständnis der Bundeswehr weder berühre noch relativiere.

Das Denkmal selbst ist schlicht gehalten. Umhüllt wird das 41 Meter breite, acht Meter tiefe und zehn Meter hohe Gebäude von einem Bronzekleid, in das halbe Erkennungsmarken gestanzt sind. Das ist hohe Symbolik: Wenn ein Soldat im Einsatz stirbt, wird die Hälfte der Erkennungsmarke abgebrochen und von den Kameraden mitgenommen. Sie ist der amtliche Beweis, daß der Soldat gefallen ist. Das Ehrenmal kann durch drei Eingänge betreten werden. Sowohl Jung als auch Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan erklärten, daß Besucher fast immer ungehinderten Zugang haben sollen. Nur bei offiziellen Anlässen, etwa Trauerfeiern oder Zapfenstreichen auf dem Gelände des Ministeriums, soll das Ehrenmal geschlossen sein. Jung will überlegen, ob Trauerfeiern für im Einsatz gefallene Soldaten in Zukunft nicht mehr am Köln/Bonner Flughafen, sondern im neuen Ehrenmal stattfinden sollen.

Im Innern des Ehrenmals gibt es einen in Schwarz gekleideten "Raum der Stille". Er wird durch eine Öffnung in der Decke erhellt. Dort wird ein Monolith stehen, wo Blumen und Kränze niedergelegt werden können. Wer den Raum der Stille verläßt, steht plötzlich vor einer golden schimmernden Wand. Sie soll die Hoffnung symbolisieren. Eine Wand kann geöffnet werden, so daß mehr Platz für Trauerfeiern und Gedenkveranstaltungen ist.

Seit Gründung der Bundeswehr sind rund 2.600 Soldaten im Dienst ums Leben gekommen, fast alle durch Unfälle. 69 von ihnen starben bei den Auslandseinsätzen. Jung will das Ehrenmal allen Toten der Bundeswehr widmen und nicht nur den Soldaten, die bei Auslandseinsätzen fielen. Ein Erinnerungsbuch mit allen Namen soll es im Ehrenmal dennoch nicht geben. Gedacht ist an moderne Techniken, etwa eine Laserprojektion, bei der Namen an der Wand zu lesen wären. Wenn Angehörige von Soldaten die Erwähnung des Namens nicht wollen, wird darauf verzichtet.

Jung hatte das Ehrenmal im Alleingang durchgezogen. Erst nach seiner Entscheidung für den Entwurf von Meck informierte er Kabinettskollegen und Bundestag. Dort stößt das Vorhaben weiter auf Kritik. Das Ehrenmal werde zu einem Ort für "ritualisierte Kranzniederlegungen" verkommen, befürchtet der FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner. Ein schnell und geräuschlos errichtetes Denkmal im Hinterhof des Verteidigungsministeriums sei nicht geeignet, der Öffentlichkeit die Bedeutung und die Gefahren der Auslandseinsätze der Bundeswehr bewußt zu machen. Fast alle FDP-Abgeordneten, aber auch viele der Grünen, der SPD und der Union sind dafür, ein Ehrenmal in der Nähe des Reichstages zu errichten.

Jung hat offenbar immer noch nicht begriffen, daß es sich bei der Bundeswehr um eine Armee des Parlaments handelt, anders als in anderen Ländern, die nur Regierungsarmeen kennen. Sichtbarer Ausdruck ist der Sitz des Wehrbeauftragten im Parlament. Der Wehrbeauftragte ist ausdrücklich kein Angehöriger der Regierung, sondern dem Bundestag zugeordnet. Jung verwechselte in einer FDP-Diskussionsrunde nach Angaben von Teilnehmern den Parlamentsvorbehalt bei Auslandseinsätzen mit dem Begriff der Parlamentsarmee. Der Hintergrunddienst "Griephan" spottete über den Minister: "Er kann es nicht."

Am Empfinden vieler Soldaten vorbei geht die Inschrift auf dem Denkmal: "Den Toten unserer Bundeswehr - Für Frieden, Recht und Freiheit". Die Inschrift wäre für Westdeutschland gerechtfertigt, unterschlägt aber, daß beide Armeen, Bundeswehr und Nationale Volksarmee, bei der Einheit 1990 zusammengeschlossen wurden. Zwar wurden danach die meisten NVA-Soldaten entlassen, aber viele auch von der Bundeswehr übernommen. Daher hätte Jung besser eine neutrale Inschrift, etwa "Den toten deutschen Soldaten" wählen sollen. Oder sind Soldaten mit NVA-Vergangenheit Menschen zweiter Klasse, derer man nicht zu gedenken braucht?

Foto: Meck, Jung und Schneiderhan (v.l.n.r.) mit dem Modell des Ehrenmals: Die NVA vergessen


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