© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/07 22. Juni 2007

Distanz, auch zu sich selber
Konservative Publizistik: "Criticón" schwor niemanden auf ein allgemeingültiges Glaubensbekenntnis ein
Thorsten Thaler

Geboren am 23. Juni 1927 in München, entstammt Caspar Freiherr von Schrenck-Notzing einer der ältesten Familien des süddeutschen Raums. Er ist der Urenkel des Stuttgarter Großindustriellen und nationalliberalen Reichstagsabgeordneten Gustav von Siegle sowie Enkel sowohl des Parapsychologen Albert Freiherr von Schrenck-Notzing als auch des Volksschriftstellers Ludwig Ganghofer.

Schon früh prägte sich bei ihm jene Haltung heraus, die ihn zuweilen als unnahbar erscheinen läßt. Der Schlüssel dafür ist vielleicht in einer Auskunft zu finden, die Schrenck-Notzing dieser Zeitung einmal auf die Frage gab, was ihm seine Eltern mitgegeben haben. Seine Antwort lautete kurz und bündig: "Distanz, eine konservative Tugend" (JF 39/99). Und auf die Frage, welche Werte wir unseren Kindern weitergeben sollen, ebenso knapp: "Distanz, auch zu sich selber".

Nach dem Krieg studierte er Geschichte und Soziologie in Freiburg, München und Köln. Aus seiner Beschäftigung mit Fragen der politischen Ideengeschichte und der Weltpolitik, zunächst vor allem mit Asien, entstand 1961 sein erstes Buch "Hundert Jahre Indien - Die politische Entwicklung von 1857 bis 1960". Vier Jahre danach folgte sein Standardwerk "Charakterwäsche".

Später begründete er als Gegenwicht zur 68er-Revolte die Kulturzeitschrift Criticón, deren erste Ausgabe im Juli 1970 mit einem Umfang von zwölf Seiten erschien. Bald fand sich ein namhafter Autorenkreis zusammen, der sich der "Rekonstruktion des Konservatismus" (Gerd-Klaus Kaltenbrunner) verschrieben hatte. Mehr als 15 Jahre und hundert Ausgaben später bilanzierte Schrenck-Notzing: "Die Zeitschrift wurde zum Schnittpunkt der Konservativen unterschiedlicher Färbung, die sich ihr nicht zuletzt deshalb zuwandten, weil Criticón niemanden auf ein allgemeingültiges Glaubensbekenntnis einzuschwören versuchte."

Daß sein Nachfolger Gunnar Sohn, der 1999 die redaktionelle Verantwortung für Criticón übernahm, die Zeitschrift in den Folgejahren von Grund auf in ein "Magazin für Mittelstand, Marktwirtschaft und Freiheit" umkrempelte, hat Schrenck-Notzing zwar schwer bekümmert, schmälert aber sein Lebenswerk als Doyen der konservativen Nachkriegspublizistik um keinen Deut.

Foto: "Criticón": Erste Ausgabe von 1970


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