© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/07 22. Juni 2007

Frisch gepresst

Moslemischer Antisemitismus. Wenn in Paris, Antwerpen oder Berlin einem Juden auf der Straße die Kippa heruntergerissen oder er angepöbelt wird, sind die Täter in der Regel eher moslemische Jugendliche als Rechtsextremisten. Der Orientalist Hans-Peter Raddatz, seit Jahren an vorderster publizistischer Front, wenn es um Aufklärung über Erscheinungen im Islam geht, widmet sein jüngstes Werk ebendiesem Phänomen eines islamistischen Antisemitismus. Weit in die Geschichte ausholend, beschreibt er das lange Mit- und Gegeneinander von Moslems und Juden, die in ihrer morgenländischen und arabischen Diaspora ebenso wie in Europa teils friedvolle Duldung wie auch brutale Verfolgung erfuhren. Seit der Gründung des Staates Israels wird das belastete religiöse Verhältnis der Muslimen zu den in ihren Augen Ungläubigen zunehmend politisch aufgeladen. Raddatz zeigt, wie sich durch die Einwanderung nach Europa die immer weiter raumgreifende Judenfeindlichkeit entwickelt. Der alarmistischen Prognose, daß der "islamisch korrekte Antisemitismus zur neuen Leitkultur Europas" werden könnte, kann man dann aber trotzdem nicht ganz folgen (Allah und die Juden. Die islamistische Renaissance des Antisemitismus. wjs Verlag, Berlin 2007, gebunden, 352 Seiten, 24,90 Euro).

Grenzland im Süden. Das Kronland und alte Herzogtum Steiermark stach gegenüber anderen Regionen Österreich-Ungarns dadurch hervor, daß die deutsche Bevölkerung einer fast ein Drittel starken slowenischen Minderheit gegenüberstand, deren Siedlungsräume schon damals etwa am heutigen Schlagbaum zwischen Österreich und Slowenien am Spielfeld grenzten. In der Untersteiermark südlich dieser Linie stellten Deutsche nur in den Städten wie Marburg an der Drau, Cilli oder Pettau eine Mehrheit. Der Grazer Historiker Martin Moll widmet seine quellengesättigte Studie dem eskaliererenden Nationalitätenkonflikt dieser jahrhundertelang auf Wien ausgerichteten Provinz, der sich bereits im 19. Jahrhundert durch das nationale Erwachen der Slowenen im sich zunehmend zum Deutschtum bekennenden Cisleithanien andeutete. Die tatsächliche oder oft auch nur unterstellte Symphatie der Slowenen zu ihren "südslawischen Brüdern" in Serbien führte dann im Ersten Weltkrieg zu Verhaftungswellen slowenischer Intellektueller - meist Kleriker -, die eine Verständigung nach der Niederlage 1918 erst recht aussichtslos erscheinen ließ. Moll beschreibt anregend "das politisch-nationale Kampffeld" in diesem für Mittelosteuropa so exemplarischen Mikrokosmos. Allerdings steht zur äußerst umfangreichen und akribischen Beschreibung der die Slowenen in die Arme Belgrads treibenden Repressionen der K.u.k-Repräsentanten die Beachtung einer "jugoslawischen" Bewegung, die vom benachbarten Krain aus Laibach gesteuert wurde, in einem gewissen Mißverhältnis (Kein Burgfrieden. Der deutsch-slowenische Nationalitätenkonflikt in der Steiermark 1900-1918. Studien Verlag, Innsbruck 2007, broschiert, 596 Seiten, 65 Euro).


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