© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/07 29. Juni 2007

Nationaler Bruch
von Doris Neujahr

Vor 40 Jahren forderte das Ehepaar Mitscherlich die "Durcharbeitung" der deutschen Geschichte. Was stattfindet, ist ihre Kriminalisierung. Die Wanderausstellung "Was damals Recht war ..." setzt sie am Beispiel der Wehrmachtsjustiz fort. Wem läuft es angesichts von 22.000 vollstreckten Todesurteilen nicht kalt den Rücken herunter? Doch hinreichend erklären lassen sie sich nur im brutalen Kontext des Europäischen, dann des Weltbürgerkrieges, den zu überstehen Deutschland von Anfang an nur geringe Chancen besaß. Der härteste Gegner, die Rote Armee, ließ sogar 157.000 Deserteure hinrichten. Bloß die wenigsten Besucher werden um diese Zusammenhänge wissen. Die Umwertung der Werte ist total: Die Deserteure handelten unterschiedslos ethisch, die Nicht-Deserteure folglich böse, zumindest waren sie in das Böse verstrickt. Mit ihrer Eröffnungsansprache hat die Bundesjustizministerin der Ausstellung staatliche Weihen verliehen.

Eine riskante Entscheidung. Denn ein Staat, der mutwillig auf korrekte Rechtspositionen und saubere Kategorien und Begriffe verzichtet, der keine Kontinuität anerkennt, sondern sich als nationaler Bruch in Permanenz gebärdet, kündigt damit seinen Bürgern die Loyalität auf. Werden die Bundeswehrsoldaten, die heute in Afghanistan stehen, nach dem nächsten Gezeitenwechsel von deutschen Behörden einem Internationalen Scharia-Tribunal überstellt - als willige Vollstrecker der Verschwörung gegen den Islam, die nichts aus der Geschichte gelernt haben?


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