© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/07 06. Juli 2007

Eine wahre Fundgrube von Skurrilitäten
Bildungspolitik: Kritik an Homo-Broschüre der Berliner Schulverwaltung nimmt zu / FDP stellt Anfrage im Abgeordnetenhaus / Senator kündigt Überarbeitung an
Markus Schleusener

Mieke Senftleben ist glücklich. Endlich hat die Berliner FDP-Abgeordnete ein Thema gefunden, auf das die Medien aufgesprungen sind: eine Broschüre der Schulverwaltung über Homosexualität (JF 27/07).

Seit Jahren müht sich Senftleben, ihre Befähigung als "Bildungsexpertin" unter Beweis zu stellen. Aber obwohl sie bereits seit 2001 im Abgeordnetenhaus sitzt, mußte sie feststellen, wie schwer es ist, sich in der Landespolitik einen Namen zu machen. Zuletzt erntete sie für ihren Vorschlag, "Hitzefrei" in den Berliner Schulen abzuschaffen, nur den Spott der Presse und den Zorn der Schüler.

Doch jetzt hat die studierte Lehrerin im Internet eine 200-Seiten-Broschüre (Auflage 1.500 Stück) gefunden und postwendend eine Kleine Anfrage an den Schulsenator gestellt. Für die B.Z. war das sofort ein Thema, an dem die Boulevardzeitung nicht vorbeikam. Zu plakativ sind die Rollenspiele, die darin für 14- und 15jährige Schüler vorgeschlagen werden.

Beispiel: Alle Schüler setzen sich ein einen Kreis. Per Abzählen werden sie in vier Gruppen aufgeteilt. Die Gruppen heißen "Lesben", "Schwule", "Hetero" und "Bi". Die Kinder sollen aufspringen und die Plätze wechseln. Dadurch soll, so die Autoren vom Landesinstituts für Schule und Medien (Lisum), unter anderem "die 'Zufälligkeit' der sexuellen Orientierung thematisiert werden".

Ein anderes Beispiel ist folgende Aufgabe: Die Schüler sollen einen Antwortbrief an Jörg (15) schreiben. Jörg hat einen fiktiven Leserbrief an die Jugendzeitschrift Bravo verfaßt, der da lautet: "Meine Eltern sind seit vier Jahren geschieden, und ich lebe bei meiner Mutter. Wir verstehen uns ganz gut - aber eines hat mich jetzt ganz schön geschockt: Seit einiger Zeit hat meine Ma eine Freundin. Die beiden lieben sich und schlafen auch miteinander. Ich versteh ja, daß meiner Mutter was fehlt, weil sie schon lange keinen Mann mehr hatte, aber warum macht sie jetzt mit einer Frau rum?"

Durch ein weiteres Spiel sollen Jungs lernen, wie sie in einer Schwulenbar einen "schnuckeligen" Kerl aufreißen. Denn: "Du könntest einen hübschen Mann in deinem Bett gebrauchen", heißt es in der Anleitung.

Vor allem dieses letzte Beispiel fand Senftleben "völlig unpassend". Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD) lenkte nach ihrer Anfrage ein und kündigte eine Überarbeitung der Broschüre an. Auch das herausgebende Institut Lisum versicherte, es werde das Beispiel mit der Schwulenbar ändern. Lediglich der Berliner Lesben und Schwulen Verband ist mit der Broschüre zufrieden und bot Senftleben per Pressemitteilung "Nachhilfeunterricht zur Diskriminierung Homosexueller" an.

Studie über die Situation binationaler Partnerschaften

Der Blick auf die Internetseite des Senators für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat sich für Senftleben politisch bezahlt gemacht. Und die von ihr bemängelte Broschüre war nur die Spitze des Eisberges. Das Stichwort "Familie" (gehört auch zu Zöllners Ressort) bietet unter dem Punkt "gleichgeschlechtliche Lebensweise" eine wahre Fundgrube von Skurrilitäten. So verrät der "Bericht über die Projekte gleichgeschlechtlicher Lebensweisen, die von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport im Jahr 2005 gefördert wurden", daß Berlin 383.000 Euro ausgibt, um die Arbeit (vor allem das Personal) diverser Schwulen- und Lesbeninitiativen zu bezahlen. Oder daß die Stadt (Wowereit: "arm, aber sexy") Geld für 69-Seiten-Studien über so wichtige Probleme wie die "Situation binationaler lesbischer und schwuler Partnerschaften" übrighat. Oder wie sehr Zöllners Vorgänger Klaus Böger das Schicksal von transsexuellen jungen Menschen am Herzen lag, denen seine Verwaltung eine weitere 200seitige Broschüre gewidmet hat.

Es gibt also noch viel zu tun für die Abgeordnete Mieke Senftleben.


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