© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/07 06. Juli 2007

Zeichen der Zeit in Ziegel
Zweckbauten mit Türmchen und Zinnen: Fotografien maritimer Architektur im Oldenburger Schloß
Matthias Schultz

Romantisch umrankt die Natur das Gemäuer, die Spuren der Zeit graben sich tief in das Werk. Was einst als waffenstarrende Festung mit einem sagenhaften Aufwand von Preußens Militärs erst am Ende des 19. Jahrhunderts in die Wesermündung gesetzt wurde, mutet heute als Ruine eher wie ein mittelalterliches Überbleibsel an. Und da die Gebäude und Gewölbe auf der künstlichen Insel "Langenlütjen II" aus Ziegelstein errichtet wurden, sind auch sie auf den Fotografien von Fritz Dressler sowie Rüdiger Lubricht jetzt im Marmorsaal des Oldenburger Schlosses zu sehen.

Für die Ausstellung unter dem Titel "Am Wasser gebaut: Maritime Ziegelarchitektur in Nordwestdeutschland" wurden die schönsten Aufnahmen ausgewählt, welche die beiden als Dokumentation für das Landesamt für Denkmalpflege angefertigt haben. Das bevorzugte Baumaterial entlang der gesamten deutschen Küste wurde dabei zum gemeinsamen kleinsten Nenner, unter dem vom Leuchtturm bis zum Lagerschuppen, von der Schleuse bis zur Signalstation abgelichtet wurde, was als unverwechselbares Zeichen seiner Zeit in die Denkmalliste dieser Region aufgenommen ist.

Dazu gehören reine und deshalb auch oftmals vom Verfall bedrohte Zeugnisse der Vergangenheit wie zum Bespiel das älteste erhaltene Sielbauwerk in Niedersachen, das Friedericussiel in Norden von 1775. Von ihm sind zwar längst nicht mehr alle, aber immerhin die wesentlichen Bauteile erhalten. Dazu zählen aber auch immer noch genutzte und deshalb wiederum teils technisch zwar notwendigerweise, oft aber auch aus rein finanziellen Überlegungen heraus stark und damit meist denkmalpflegerisch nicht gerade vertretbar veränderte Anlagen.

Doch durch die von ästhetischen Kriterien geleitete Auswahl bleiben eben solche in der Wirklichkeit häufig anzutreffenden Negativbeispiele in der Ausstellung eher die Ausnahme. Außerdem hat das Auge der beiden Fotografen natürlich auch für die Ausrichtung ihrer Kameras auf die Schokoladenseiten der Objekte sowie die Konzentration auf pittoreske Details gesorgt.

Dadurch dürfte die Aufmerksamkeit der Besucher auf die oftmals unbeachteten architektonischen Schätze vor der eigenen Haustür gelenkt werden. Bildausschnitte wie von der Großen Seeschleuse in Emden oder der Kaimauer im Vareler Hafen belegen, mit welchem handwerklichen Aufwand und welcher Akkuratesse unsere Vorfahren gebaut haben, aber auch, wie sie reine Zweckbauten noch mit kleinen, hübschen Details verzierten. So wurden um 1850 der Zollspeicher in Emden oder der Bahnhof in Blexen von 1907 noch mit funktional völlig überflüssigen Zinnen und Türmchen wie bei einer Burg bekrönt.

Andere Bauten wie die ein Jahr später errichtete Kesselschmiede der Meyer-Werft in Papenburg hingegen sind bereits schmucklose Industriebauten, deren optische Qualität allenfalls noch von der Wärme des Farbtons der verwendeten Ziegel herrührt. Dasselbe gilt für das bei vielen Sonntagsausflüglern schon bekannte Dangaster Siel oder die Cäcilienbrücke in Oldenburg. Sie wurde 1927 von Regierungsbaumeister Adolf Rauchheld im Stile der Neuen Sachlichkeit mit einigen kleinen expressionistischen Details fertiggestellt und gehört heute zu den herausragenden technikgeschichtlichen Denkmälern der Stadt. Dabei hätte man ihr ebenso wie ihrer ein Jahr zuvor vollendeten Schwesterbrücke 1980 noch fast den Garaus gemacht.

Andere technische Bauwerke entlang der Küste hingegen leben nur von ihrer sichtbaren Gestalt: die Seezeichen. Weithin sichtbar wiesen die Baken den Schiffern den Weg, bekrönt von hölzernen Konstruktionen. Bei dem Unterbau aus Backstein durften die Architekten dann richtig kreativ sein, wie Caspar David Friedrichs berühmte Klosterruine Eldena steht da zum Beispiel das "Große Kaap" auf Borkum gleich einem gotischen Kirchturmgerippe in den Dünen, das "Kap" auf Norderney hingen erinnert mit seinem oktogonalen Grundriß und den vorspringenden Eckrisaliten sehr stark an das berühmte Castel del Monte. Aber auch moderne Gebäude vom Ende des 20. Jahrhunderts wurden von dem Fotografen-Duo aufgenommen: etwa die Verwaltung der Emder Wasser- und Schiffahrtsschule, deren extrem spitz zulaufende Ecke erstens und naheliegend an den Bug eines Schiffes erinnert, zweitens aber auch ein mittlerweile überaus beliebtes und damit auch nicht mehr allzu originelles Zitat von Fritz Högers Hamburger Chilehaus darstellt.                     

Die Ausstellung ist bis zum 12. August im Marmorsaal des Oldenburger Schlosses täglich außer montags von 9 bis 17 Uhr, Do. bis 20 Uhr, Sa./So. ab 10 Uhr, zu sehen. Der Katalog mit 160 Seiten kostet 22 Euro.

Foto: Borkum, Kleines Kaap, um 1876: Erinnerung an Caspar David Friedrichs Klosterruine Eldena


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