© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/07 13. Juli 2007

Keine Angst vor dem Toilettenhäuschen
Berliner Stadtschloß: Im Humboldt-Forum steckt mehr Schlüter als den Gegnern des Wiederaufbaus recht ist
Marcus Schmidt

Stadtschloß." Plötzlich stand das Wort im Raum. War es ein Versehen? Hatte sich Bauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) verplappert? Es war auffallend wie sehr Tiefensee bis auf diesen einen Patzer darauf bedacht war, bei seiner Vorstellung des Kabinettsbeschlusses zur Bebauung des Schloßplatzes in Berlin den Eindruck zu vermeiden, bei dem offiziell "Humboldt-Forum" getauften Bau handele es sich um den Wiederaufbau der Hohenzollernresidenz.

Stattdessen war in der vergangenen Woche etwas blumig von einem Ort des Dialogs und der Diskurse, von einem "Schaufenster des Weltwissens" die Rede. Das ist nicht schön, aber durchaus nachvollziehbar, schließlich sollen hier künftig die außereuropäischen Sammlungen der Berliner Museen präsentiert werden. Sehr ungelegen kam Tiefensee aber die Frage eines polnischen Journalisten, ob das Vorhaben für Deutschland eine ähnlich identitätsstiftende Bedeutung habe wie der Wiederaufbau des Warschauer Schlosses nach dem Zweiten Weltkrieg für Polen. Nein, antwortete Tiefensee schroff, das Humboldt-Forum sei nicht rückwärtsgewandt.

Und dennoch. Bei allen sprachlichen Verrenkungen des Ministers ist nun endgültig entschieden, daß Berlin seine historische Mitte in der Gestalt des von Andreas Schlüter maßgeblich gestalteten Stadtschlosses zurückbekommt. Tiefensee hat das Bauvorhaben, das vor kurzem aus Kostengründen noch auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden sollte, in den vergangenen Monaten konsequent vorangetrieben. Die Planungen hinter den Kulissen sind bereits weit fortgeschritten. Der Zeitplan ist ehrgeizig: Ab 2010 soll gebaut werden, bereits im Herbst 2013 Einweihung gefeiert werden.

Voraussetzung dafür, daß der Wiederaufbau des Stadtschlosses an Fahrt gewinnen konnte, war die "Entschlackung" des Konzeptes. Tiefensee hatte kurzerhand das ursprünglich geplante Hotel samt der aufgrund des komplizierten Baugrundes technisch anspruchsvollen und kostentreibenden Tiefgarage gestrichen und so die Kosten, die größtenteils vom Bund getragen werden, von ursprünglich 670 Millionen auf 480 Millionen Euro gesenkt. Berlin stellt das Grundstück zur Verfügung und beteiligt sich mit 32 Millionen Euro an den Baukosten. Dafür erhält es von den 24.000 Quadratmetern Nutzfläche 5.000 Quadratmeter für seine Zentral- und Landesbibliothek und für die Humboldt-Universität. Weitere 80 Millionen Euro will der private Förderverein Berliner Schloß um den "Vater" des Wiederaufbaus, Wilhelm von Boddin, aufbringen. Mit diesem Geld soll die historische Fassade des Schlosses gefertigt werden. Auch die Pläne  für die Rekonstruktion sind weitgehend komplett, erste Fassadenteile wurden bereits angefertigt.

Stadtschloßpuristen werden an dem Bau gleichwohl eine Menge auszusetzen haben. Den von ihnen erträumten Eins-zu-eins-Wiederaufbau wird es nicht geben. Dennoch steckt in dem Neubau mehr von der alten Hohenzollernresidenz als der schillernde Begriff "Humboldt-Forum" glauben machen will. Die Vorgaben für den Ende dieses Jahres geplanten Architekturwettbewerb sind streng, denn die Baumeister müssen sich an den Bundestagsbeschluß aus dem Jahr 2003 halten, der für den Bau ausdrücklich die Kubatur des Stadtschlosses und die Rekonstruktion der barocken Fassade festgelegt hat. Dabei wird häufig vergessen, daß sich dies nicht nur auf die drei dem Lustgarten, der Schloßfreiheit und dem Schloßplatz zugewandten Seiten bezieht, sondern auch auf den architektonisch besonders wertvollen Schlüterhof des Schlosses, der aus denkmalpflegerischen Gründen zudem nicht, wie ursprünglich geplant, überdacht werden soll. Bei der Gestaltung des Eosanderhofes und der Spreeseite des Schlosses sind die Architekten hingegen nicht an das historische Vorbild gebunden.

Die Warnungen, daß hier ein Einfallstor geschaffen wurde, das es einem listigen Architekten ermöglichen könnte, dem Schloß trotz der historischen Fassade, zu der auch die Kuppel über dem mächtigen Eosanderportal gehören wird, eine modernistische Prägung zu geben, müssen durchaus ernst genommen werden. Viel wird daher davon abhängen, wie die Jury des Architektenwettbewerbes besetzt sein wird.

Hauptaufgabe der Architekten wird es aber ohnehin sein, das Innere des Schlosses zu gestalten und das im Bauministerium bereits ausgearbeitete Raumkonzept architektonisch umzusetzen. Doch auch hier sind mit der Entscheidung für die von Andreas Schlüter geschaffene Fassade bereits wichtige Pflöcke eingeschlagen. "Es gab eine feste architektonische Verknüpfung zwischen den Fassaden und den Durchfahrten, den Durchfahrten und den Treppenhäusern und den Treppenhäusern und den Sälen", sagte einer der besten Kenner des Stadtschlosses, der Bauhistoriker Goerd Peschken, gegenüber der Welt. Daran könne man nicht vorbeigehen.

So wird es offensichtlich auch in Tiefensees Ministerium gesehen. Zwar würden den Architekten bei der Raumaufteilung keine konkreten Vorgaben gemacht, sagte Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup, doch "jeder halbwegs vernünftige Architekt" werde dafür sorgen, daß der Besucher, nachdem er eines der barocken Portale durchschritten habe, nicht in einem "Toilettenhäuschen" lande.

Förderverein Berliner Schloß e.V., Postfach 56 02 20, 22551 Hamburg, Telefon: 040 / 89 80 75-0, E-Post: info@berliner-schloss.info

Spendenkonto zugunsten Wiederaufbau Berliner Schloß: Deutsche Bank, Kontonummer: 0772277, Bankleitzahl: 100 700 00

Foto: Modell des Schlüterhofes: Auf ein Glasdach wird verzichtet, Modell des Berliner Schlosses vom Alten Museum aus gesehen, davor der Lustgarten: Die barocke Fassade wird rekonstruiert


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen