© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/07 20. Juli 2007

Jungpolitiker machen auf konservativ
Parteien: Nachwuchskräfte von CDU und CSU regen Programmdiskussion an / Strategiepapier kritisiert Sozialdemokratisierung
Alexander Bagus / Marcus Schmidt

Es war sicher kein Zufall, daß die Medien Wind von dem Treffen bekommen haben. Einige jüngere Unions-Politiker, darunter CSU-Generalsekretär Markus Söder und der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, waren in der vergangenen Woche in Berlin im bei der politischen Prominenz beliebten Café Einstein zusammengekommen, um über einen "modernen Konservatismus" zu beraten. Der Grund: Die Union müsse ihrer Meinung nach ihr konservatives Profil schärfen. Schon wird - ganz im Sinne der Initiatoren - von einem "Einstein-Pakt" junger Konservativer in der Union gesprochen.

"Es geht im Kern darum, daß Konservative in der Union stärker vertreten sein sollten", zitiert die Rheinische Post den Generalsekretär der CDU Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, der neben dem CDU-Fraktionsvorsitzenden im Stuttgarter Landtag, Stefan Mappus, ebenfalls an dem Treffen teilnahm. Was sich die vier indes unter einem "modernen Konservatismus" vorstellen, bleibt unklar. Da wird zum einen gefordert, es müsse angesichts der stetigen Veränderungen in den Zeiten der Globalisierung für die Bürger "eine letzte Sicherheit" geben, zum anderen wird von den Protagonisten die Familienpolitik Ursula von der Leyens gelobt. Nun wollen die Nachwuchspolitiker mit einem Thesenpapier für Klarheit sorgen. 

Die von ihnen angezettelte Diskussion  - ob ernst gemeint oder als Beschwichtigung für enttäuschte konservative Wähler gedacht - zeigt, daß die Parteiführung offenbar langsam realisiert, daß sich die fortgeschrittene Amputation des konservativen Flügels bitter rächen wird. Schon die Diskussion um das vielen Kritikern zu "schwammige" neue Grundsatzprogramm (JF 21/07) hat den Unmut an der Basis gezeigt. Doch auch in den Reihen der Bundestagsabgeordneten regt sich Kritik. Für Unruhe in der Unionsfraktion sorgt derzeit ein Strategiepapier aus dem Büro eines baden-württembergischen Abgeordneten, in dem schonungslos die fortschreitende Sozialdemokratisierung der CDU angeprangert wird.

Das Papier mit dem Titel "Die CDU- eine sozialdemokratische Partei", das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, geht mit dem Zustand der CDU hart ins Gericht. Prinzipielle Unterschiede in Programmatik und politischer Praxis gebe es zwischen den beiden großen Volksparteien nur noch graduell. Das fange damit an, daß beide den Begriffen Freiheit und Gerechtigkeit den gleichen Rang einräumen. Dies führe automatisch dazu, daß im Interesse einer vermeintlichen Gerechtigkeit - in Wirklichkeit Gleichmacherei - die Freiheit des Bürgers eingeschränkt werde.

Aber nicht nur würden Freiheit und Gerechtigkeit auf eine Stufe gestellt, der Begriff der Freiheit werde auch in der CDU sozialistisch uminterpretiert, nämlich Freiheit als Versorgtsein und unbeschwertes Leben. Dies habe auch Folgen für den Rechtsstaat, denn die Bindung der Freiheit an die Gleichheit bedeute den Tod für die bürgerlich-rechtsstaatliche Freiheit. Dieser Tod würde auch durch die CDU gefördert werden, indem diese das Antidiskriminierungsgesetz mitgetragen und übererfüllt hat. Dem Bürger mißtraue man, weswegen er überwacht und bevormundet werde. Heftig angegriffen wird die von Familienministerin Ursula von der Leyen vorangetriebene Politik des "Gender-Mainstreaming", die als "Marxismus pur!" bezeichnet wird. Eine Aussage, die in der Fraktionsführung die Alarmglocken schrillen läßt.

Widerstand oder Kritik gegen diesen Versuch der Gesellschaftsumformung gebe es in der CDU/CSU-Bundetagsfraktion nicht, beklagt die Studie weiter. Lieber opfere die Partei das christliche Menschenbild und streicht gedanklich das "C" im Namen, um sich nicht politisch inkorrekt gegen "Gender-Mainstreaming", das dem christlichen Glauben entgegenstehe, äußern zu müssen.Aber nicht nur dieser Punkt wird in  der Studie an der Politik der Familienministerin kritisiert. "Familienpolitik" oder "Familienförderung" seien Euphemismen in der CDU. Denn die Partei und bestimmte Protagonistinnen um von der Leyen ständen für eine schrittweise Sozialisierung familiärer Funktionen und eine Umfinanzierung der Familie von Eigen- auf Staatsfinanzierung. Die derzeitige Form der Rentenversicherung wird als Subventionierung der Kinderlosigkeit bezeichnet. Durch staatliche Finanzierung würden Eltern zu Reproduktionsfunktionären degradiert und die Frauenerwerbsquote werde allein zum Ziel der Staatsbereicherung gesteigert, da eine höhere Erwerbsbeteiligung dem Fiskus Einnahmen sichere.

Heftig kritisiert wird auch der "Kampf gegen Rechts". Die CDU habe den antitotalitären Konsens durch den antifaschistischen ausgetauscht, der PDS/Linkspartei den demokratischen Ritterschlag erteilt und an ein Ende der Finanzierung von linksextremen Strukturen, die von diesem "Kampf gegen Rechts" profitieren, werde noch nicht einmal gedacht. "Die CDU ist unfähig, der politisch-medialen Instrumentalisierung der NS-Jahre eine eigene geschichtspolitische Haltung entgegenzusetzen und auf diese Weise stereotypen links-antifaschistischen Kampagnen Paroli zu bieten."

Deutlich spricht sich das Papier gegen die vorherrschende antikapitalistische Mentalität aus und hält fest, daß die soziale Marktwirtschaft schon seit den siebziger Jahren praktisch nicht mehr existent sei. Vielmehr sei der deutsche Wohlfahrtsstaat die Fortsetzung des Sozialismus mit anderen Mitteln, sei eine "DDR light".

Diese Kritik in dem internen Diskussionspapier geht weit über das hinaus, was die karriereorientierten Unionspolitiker um Mißfelder und Söder sich für ihren "modernen Konservatismus" zu wünschen scheinen. Es ist daher kaum zu erwarten, daß diese Positionen in der CDU unter der Führung von Angela Merkel eine Chance haben.

Foto: JU-Chef Mißfelder (r.) und NRW-Generalsekretär Wüst (l.): Konservative Wähler im Blick?


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