© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/07 27. Juli / 03. August 2007

Falsch gestellte Weichen
von Peter Scholl-Latour

Ob es sich bei den Entführern der beiden Deutschen in Afghanistan um politische Kreise oder kriminelle Banden handelt, ist nach wie vor unklar. Zuverlässige Informationen sind aus Afghanistan derzeit für niemanden zu bekommen, auch nicht für die deutsche Bundesregierung. Um so leichtfertiger war und ist es, deutsche Zivilisten überhaupt in diese Krisenregion zu entsenden.

Daß Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem noch ungeklärten Tod einer Geisel am Bundeswehreinsatz in Afghanistan festhält, ist taktisch durchaus richtig. In einer Situation konkreter Bedrohung deutscher Staatsbürger darf eine Regierungschefin nicht zurückweichen. Gleichwohl macht der aktuelle Entführungsfall wieder einmal deutlich, daß die Weichen der deutschen Afghanistanpolitik von jeher falsch gestellt sind. Die Kanzlerin wäre gut beraten, schon bald das Gespräch mit dem amerikanischen Bündnispartner zu suchen, um einen Plan für die Zukunft Afghanistans und einen geordneten Abzug der deutschen Truppen ins Auge zu fassen. Dann wird sich zeigen, ob Deutschland Vasall oder gleichberechtigter Bündnispartner der USA ist.

In ein bis zwei Jahren werden auch die Amerikaner einsehen, daß die Lage in Afghanistan unhaltbar ist. Doch dann könnte es für die Bundeswehrsoldaten in Faisabad und anderswo bereits zu spät sein.

 

Prof. Dr. Peter Scholl-Latour arbeitet als Fernsehjournalist im Mittleren Osten.


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