© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/07 10. August 2007

Mauscheleien in der Wendezeit
Organisierte Kriminalität: Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum will Grundstücksaffäre in Brandenburg aufklären / Druck auf Landtagspräsidenten wächst
Christian Rudolf

Der Publizist Jürgen Roth, bekannt geworden durch etliche investigative Bücher über organisierte Kriminalität, beschreibt in seinem aktuellen Bestseller "Anklage unerwünscht. Korruption und Willkür in der deutschen Justiz" die Aushöhlung der Gewaltenteilung und neben vielen anderen Skandalen auch die mutmaßlich mafiösen Verflechtungen zwischen organisierter Kriminalität, Politik, Polizei und der Justiz in Sachsen (JF 27/07).

Roth sieht nun ähnliche Seilschaften "von Strukturen alter SED-Kader mit aus dem Westen kommenden schillernden Vertretern" auch in Brandenburg. Mit den Vorgängen wolle er sich als nächstes beschäftigen und dabei besonders die dortigen Immobilienschiebereien zum Schaden der Alteigentümer wie der Kommunen besonders fokussieren, kündigte der Enthüllungsjournalist vor zwei Wochen in Potsdam an. Er verlangte die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der sich mit der "Korruption in Brandenburg" befassen solle. Die Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE e. V.) erhielt somit prominente Unterstützung für ihre eigene Forderung nach einem Landtagsausschuß zu den Immobilien-Manipulationen im Altkreis Strausberg (heute Märkisch-Oderland). Der Landtag hatte sich bislang geweigert, einen Ausschuß einzurichten.

"Wir können uns das nur durch persönliche Betroffenheit erklären", sagte der ARE-Bundesvorsitzende, Man­fred Graf von Schwerin, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. In Brandenburg sei es besonders schwer, "objektive Untersuchungen auf der parlamentarischen Ebene" zu erreichen, "da die Vertreter der großen in den Landtag gewählten Parteien offen zu erkennen gegeben haben, daß sie an einer Aufklärung nicht interessiert sind". Nach wie vor steht Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) neben anderen hochrangigen Vertretern der Brandenburger Landespolitik  im Kreuzfeuer öffentlicher Kritik (JF 49/06). Nach Angaben der ARE könne als gesichert gelten, daß Fritsch als Landrat in Strausberg in der Nachwendezeit durch rechtswidrige Schnellverkäufe zu Schleuderpreisen vorsätzlich Grundstücks- und Immobilienbesitzer übergangen, benachteiligt und um ihr Eigentum gebracht habe. Kenner der Sache wie der ehemalige Vize-Bürgermeister und Erste Beigeordnete von Strausberg Friedhelm Zapf (SPD) schätzen, daß etwa 150 Fälle eklatant rechtswidrig abgewickelt wurden und der Stadt ein Schaden von mehreren zehn Millionen Euro entstanden ist.

Als einer, der zuviel wußte, wurde Zapf 1996 seines Amtes enthoben und als "Nestbeschmutzer" verunglimpft. Nun erklärte er, daß es in den "mafiösen Netzwerken" Brandenburgs eingeübte Handlungsschemata gebe. Anhand des Falles "Handelscentrum" in Strausberg schilderte er das trickreiche Zusammenarbeiten von Stadtverwaltung, ehemaligen SED-Kadern und Stasi-IMs, Steuerberatern und der Treuhand beim planmäßigen Mißbrauch des Investitionsgesetzes zum Verkauf von stadteigenen Immobilien zum Schaden der Kommune. "Das Muster der Vorgehensweise ist immer gleich", dutzendfach habe man sich auf diese Weise bereichert.

Ein von alten SED- und MfS-Mitarbeitern gegründetes "Handelscentrum Strausberg e. G. (HCS)" kaufte mit Billigung des Strausberger Bürgermeisters Grundstücke zum Spottpreis - 80.000 Quadratmeter für damals drei Millionen D-Mark - von der Treuhand. Das Land war durch einen gestellten Rückgabeanspruch gesetzlich geschützt, Verkaufsbedingung war, mindestens 30 Millionen D-Mark zu investieren. Daraufhin wurden Investitionen nur vorgetäuscht: Man wies einfach bereits zu DDR-Zeiten investierte Beträge als neue Investitionen des "HCS" aus. "Um das Geld für den Kauf der gesamten Immobilie oder des ganzen Betriebes zu bekommen, wird ein Teil der Immobilie durch kriminelle Handlungen verkauft oder beliehen. Mit diesem Geld wird dann die gesamte Immobilie oder der Betrieb weit unter Wert erworben", erläuterte Zapf. Einige Zeit später veräußerte das HCS die Hälfte der 80.000 Quadratmeter zum tatsächlichen Verkehrswert - 40 Millionen D-Mark - an private Investoren. Die ARE kündigte an, der Öffentlichkeit in Kürze Beweismittel zu den Immobilien-Manipulationen im Raum Strausberg vorzulegen.


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