© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/07 10. August 2007

"Unglückliche Formulierungen"
Gender Mainstreaming: Bundesfamilienministerium zieht umstrittenen Ratgeber nach Berichterstattung der "JUNGEN FREIHEIT" zurück
Anni Mursula

Manchmal hat die parlamentarische Sommerpause ihre Vorteile: Auch unbeliebte Themen bekommen wegen der Nachrichtendürre Aufmerksamkeit in den Medien. So wurde vergangene Woche eine Nachricht, die wohl sonst in den Meldungsspalten verschwunden wäre, von allen wichtigen deutschen Medien aufgegriffen: Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat die umstrittene Broschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) "Körper, Liebe, Doktorspiele - Ratgeber zur kindlichen Sexualerziehung von 1. bis 3. Lebensjahr" (JF 31-32/07) wegen "unglücklicher Formulierungen" aus dem Verkehr gezogen.

In dem Ratgeber wurden Eltern regelrecht dazu animiert, ihre Kinder im Intimbereich sexuell zu berühren, was die gesunde sexuelle Entwicklung des Kindes fördern solle. Insgesamt wurden seit 2001 deutschlandweit 650.000 Exemplare des Ratgebers an Eltern, Kindergärten und Kinderärzte verteilt.

Die Pressesprecherin des Bundesfamilienministeriums, Iris Bethge, sagte vergangene Woche, daß das Ministerium vor etwa vier Wochen auf den Inhalt des Ratgebers aufmerksam gemacht worden sei. Daraufhin sei die Broschüre auf Wunsch von der Leyens aus dem Netz genommen worden. Im Papierformat sei sie dagegen bereits seit längerer Zeit vergriffen gewesen. Nun werde der Ratgeber, der noch zum rot-grünen Erbe zählt, inhaltlich und sprachlich überarbeitet, sagte Bethge. Ob er in überarbeiteter Fassung neu erscheint, ließ sie allerdings offen.

Obwohl die Presse sich vergangene Woche, nachdem von der Leyen die Broschüre sperren ließ, über die "zweideutigen" und "grenzwertigen" Inhalte des Ratgebers empörte, waren die meisten Berichte über den Skandal nur halbherzig recherchiert: Zwar wurde über den Ratgeber geschimpft - wie es aber letztendlich zu seiner Sperrung durch das Ministerium kam oder warum sich die Bürger dort überhaupt beschwert hatten, wurde von den meisten Medien nicht thematisiert.

Nur die wenigsten Zeitungen zitierten den Artikel "Auf dem Weg zum neuen Menschen" von Gabriele Kuby (JF 27/07), in dem die Soziologin den Skandal überhaupt erst aufgedeckt hatte. Der Kölner Express hat die Geschichte nach Kuby als erste Zeitung breiter thematisiert und weiterrecherchiert: "Das ist mehr als mißverständlich. Pädophile könnten solche amtlichen Anleitungen als Rechtfertigung benutzen", sagte zum Beispiel Irene Johns vom Vorstand des Kinderschutzbunds gegenüber dem Boulevardblatt. Auf diesen Artikel folgten mehrerer Berichte in anderen Zeitungen.

Nach einer turbulenten Woche, in der das Familienministerium sich gegenüber zahlreiche Vorwürfen aus der Presse verteidigen mußte, wollte das Ministerium den Skandal am Montag nicht mehr kommentieren. "Letzte Woche gab es dazu sehr viele Anfragen", sagte eine Sprecherin gegenüber der JF. Nach dem ganzen Wirbel wolle man sich zu dem Thema nun nicht mehr äußern.

Während das Ministerium versucht, Gras über den Skandal wachsen zu lassen, schwankt der Tenor auch in den Medien entsprechend: Als Spiegel-Online am Montag - fast eine Woche, nachdem Ursula von der Leyen die Broschüre aus dem Verkehr hat ziehen lassen - auf den ursprünglichen Artikel von Gabriele Kuby in der JUNGEN FREIHEIT aufmerksam wurde, war der Skandal plötzlich keiner mehr: Vielmehr handele es sich um "Verleumdung" und ein "Zerrbild" seitens der "Konservativen".

So läßt Spiegel Online "Experten" zu Wort kommen: "Aus sexualwissenschaftlicher und sexualpädagogischer Perspektive ist an der Aufklärungsbroschüre 'Körper, Liebe, Doktorspiele' nichts auszusetzen", zitiert die Netzpublikation aus einer Stellungnahme des Kieler Sozialpädagogen Uwe Sielert.

Sielert ist wissenschaftlicher Beirat des Instituts für Sexualpädagogik (ISP) in Dortmund - das zwar seitens der Regierung hoch anerkannt ist, aber als Denkschmiede der linken Sexualpädagogik gilt. Daß das Institut und sein Beirat die umstrittene Broschüre so vehement verteidigen, verwundert kaum, bedenkt man, daß die Autorin von "Körper, Liebe, Doktorspiele", Ina-Maria Philipps, ebenfalls Dozentin des ISP ist.

Foto: Bundesfamilienminsterin Ursula von der Leyen (CDU) und die von ihr aus dem Verkehr gezogene Broschüre: Ob eine überarbeitete Version des Heftes jemals gedruckt wird, ist mehr als fraglich


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