© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/07 10. August 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Nichts gelernt
Andreas Mölzer

Die britischen Behörden haben vergangenen Dienstag nun einen zweiten Fall von Maul- und Klauenseuche (MKS) bestätigt. Entsprechende Labortests hätten einen ersten Verdacht erhärtet. In unmittelbarer Nähe zum ersten betroffenen Hof in der südenglischen Grafschaft Surrey hatten Tierärzte zuvor weiteres Vieh mit den Symptomen der hochansteckenden Viruskrankheit entdeckt. Der jetzige MKS-Erreger soll offenbar aus einem tiermedizinischen Forschungslabor stammen.

Nach Aussagen des britischen Agrarministeriums von letzter Woche ist der bei etwa 60 Kühen entdeckte MKS-Virus identisch mit einem ursprünglich für Impfungen gezüchteten Stamm in einem knapp sechs Kilometer entfernten Labor der US-Pharmafirma Merial Animal Health. Das Unternehmen zeigt sich von den betriebseigenen Sicherheitsmaßnahmen überzeugt. Merial arbeite nach "höchsten internationalen Standards" und begrüße die Kontrollen durch die Behörden nach dem Ausbruch der hoch ansteckenden Tierseuche, erklärte die Firma. Man sei sich sicher, daß es keine Sicherheitslücke in ihren Labors gegeben habe. In den vergangenen 15 Jahren seien Hunderte Millionen Impfstoff-Einheiten in den Labors in Pirbright hergestellt worden, und während dieser ganzen Zeit habe es keine Sicherheitsmängel gegeben.

Die Tierseuche, die mittlerweile zu einem Exportstopp für Fleisch aus Großbritannien in die EU und die USA geführt hat, war zunächst nur in einem Betrieb in Surrey entdeckt worden. Der Virus kann aber auf verschiedenen Wegen übertragen werden, durch die Luft oder auch an Autoreifen. Die Sperrzone rund um die Farm wurde auf Anordnung auf einen Zehn-Kilometer-Radius erhöht und umfaßt jetzt auch das Labor.

Als weitere Maßnahmen erfolgen dieser Tage strenge Kontrollen auf Flughäfen, ob auch wirklich keinerlei Wurst oder Fleisch aus England exportiert wird - wieder einmal ein europäischer Fleisch­skandal, der sich hier also abzeichnet. Die Tierseuche war vor sechs Jahren zum bisher letzten Mal in Großbritannien ausgebrochen. Damals mußten sieben Millionen Tiere notgeschlachtet werden, 2.000 Höfe waren betroffen. Die Regierung von Gordon Browns im Juni zurückgetretenem Vorgängers Tony Blair war wegen ihres angeblich zu langsamen Vorgehens massiv kritisiert worden, der wirtschaftliche Schaden betrug schätzungsweise 12,6 Milliarden Euro.

Man scheint allerdings nicht viel im sorgsamen Umgang mit Tierkrankheiten gelernt zu haben - die Europäische Union legt weiter ihren Schwerpunkt auf Agrarindustrie anstatt auf biologisch wertvollere Kleinlandwirtschaft, die solcherlei Probleme in diesem Ausmaße nicht zulassen würde. Die großen Labors, die beim letzten Ausbruch der Maul- und Klauenseuche die Bauern vorm neuerlichen Ausbruch schützen sollten, haben offensichtlich genau das Gegenteil bewirkt - ebenfalls ein Zeichen dafür, daß eine industrialisierte Landwirtschaft keine gute Zukunft verheißen kann.

Man darf gespannt sein, ob die EU hier in Zukunft etwas ändern oder stur auf ihrem Kurs beharren wird - gesteuert von Lobbyisten. Bis dato zeichnet sich diese Kursänderung jedenfalls nicht ab, und wieder einmal zeigt sich, daß die Union kaum auf die Interessen ihrer Bürger Rücksicht zu genehmen denkt.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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