© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/07 10. August 2007

Als der Glaube Schwerter trug
Sankt Jakob als Maurentöter reizt die Hüter der politischen Korrektheit
Manfred Müller

Santiago y cierra España!" (Sankt Jakob! Und zum Angriff Spanien!) Über Jahrhunderte war dies in der Reconquista der Schlachtruf der christlichen Kämpfer gegen die Herrschaft der islamischen Mauren auf spanischem Boden. Dementsprechend wurde der hl. Jakob in Spanien oft nicht als würdevoll thronender Apostel oder im Pilgergewand abgebildet, sondern als Santiago Matamoros (Sankt Jakob der Maurentöter): Hoch zu Roß sprengt der siegreiche Heilige mit gezücktem Schwert über eine Schar zu Boden geschmetterter maurisch-islamischer Glaubensfeinde hinweg.

Für die Spanier war diese martialische Darstellung des Heiligen so lange unproblematisch, als es noch nicht die internationalen Wächter der politischen Korrektheit gab. Seit längerem rühren sich diese aber in Spanien, und dies führte zu Überlegungen, diese Jakobsdarstellungen zu entfernen, zu verhüllen oder durch Erläuterungstafeln die politische Korrektheit zu gewährleisten. Deutsche Reisende auf den historischen Pilgerwegen müssen sich bei Gruppenreisen, wenn sie vor solchen Darstellungen verweilen, häufig verbale Distanzierungen anhören: die Reconquista ein spanischer Irrweg, der Matamoros eine Verkörperung des schlimmsten Fundamentalismus!

Nach 711 überrannten islamische Araber und Berber das christliche Westgotenreich in Spanien. Nur in den schwer zugänglichen Tälern der Pyrenäen und im asturisch-kantabrischen Hochgebirge konnten sich christliche Reste behaupten. Von hier aus setzte die Jahrhunderte dauernde Rückeroberung ein. Der Kult um die Jakobsreliquien in Santiago de Compostela hatte dabei eine wichtige integrierende Funktion für das christliche Volk mit iberischen, keltischen, kolonialrömischen und germanischen Wurzeln.

Der Legende nach waren die Gebeine des Apostels Jakob, dem Missionstätigkeit auf der iberischen Halbinsel nachgesagt wurde, auf wundersame Weise nach Spanien gelangt und im ersten Drittel des 9. Jahrhunderts in einer römischen Nekropole (an der Stelle des späteren Compostela) entdeckt worden. Das hier über den Reliquien errichtete Heiligtum zog bald Pilger aus ganz Europa an. Zugleich wurde es zu einer Kraftquelle für die christlichen Streiter wider die Maurenherrschaft: Sankt Jakob (in der Volkssprache abgeschliffen zu "Santiago") als machtvoller Beschützer des christlichen Spanien. Die älteste Abbildung des Maurentöters findet sich auf einer romanischen Reliefplatte des 12. Jahrhunderts in der Kathedrale von Santiago de Compostela.

Die Kunde vom Maurentöter geht zurück auf die Schlacht von Clavijo (844). Dort soll Santiago, auf einem Schimmel reitend, erschienen sein und durch sein Eingreifen als Schlachtenlenker den Christen geholfen haben, die Mauren vernichtend zu schlagen. (Schimmel als Reittiere gelten seit der Antike als Sinnbilder der Macht und des Sieges!) In aussichtslos erscheinender Lage soll Santiago auch später das Kriegsglück zugunsten der Spanier gewendet haben - selbst bei kriegerischen Vorstößen der Konquistadoren in Mittel  und Südamerika.

Bedeutsam für den Rückeroberungskampf auf spanischem Boden wurde der 1161 gegründete Ritterorden des hl. Jakob vom Schwerte, auch Orden von Compostela genannt. Die Degen der Ordensritter, so die Inschrift, sollten sich röten vom Blut der Araber. Dies zeigt, daß das ursprüngliche Ordensziel, der Schutz der christlicher Pilger, sehr bald vom Kampf zur Zurückdrängung der Mauren überlagert wurde. Nach der Eroberung Granadas (1492) verblaßte der Ruhm des kriegerischen Schlachtenhelfers. Als Schutzpatron Spaniens wurde er durch die Mystikerin Teresa von Avila verdrängt.

Erst General Franco setzte 1937 im spanischen Bürgerkrieg den Maurentöter wieder in seine alten Rechte als Schützer Spaniens eingesetzt hätte. Dabei verzichtete Franco selbst in dem blutig-erbitterten Ringen mit der "roten" Republik keineswegs auf den Einsatz mauretanischer (also islamischer) Legionäre. Andererseits war die Anrufung des kriegerischen Santiago in dem zum Glaubenskampf stilisierten Bürgerkrieg nicht ohne aktuelle Bezüge. Die Franco-Propaganda mußte nur an die entsetzlichen Greueltaten der "Rotspanier" gegen Nonnen, Priester, Mönche, Kirchen und Klöster erinnern. Im heutigen Spanien sind die ideologischen Nachfahren der damaligen Franco-Gegner an der Macht - kein Wunder also, daß Santiago Matamoros angefeindet wird.

Im deutschen Kulturraum ist Sankt Jakob, dessen Festtag am 25. Juli begangen wurde, über die Jakobspilger und ihre Pilgerstraßen fast nur als der Pilgerpatron bekannt: mit Pilgermantel, -stab,  -flasche und der berühmten Muschel am Pilgerhut. Aber dort, wo sich Schützenbruderschaften nach Jakob benannt haben, muß etwas vom kämpferischen Heiligen bekannt gewesen sein. Und ganz falsch ist ein solcher Zug des Apostelmärtyrers (Enthauptung im Jahre 44) nicht, denn Christus nannte Jakobus und dessen Bruder Johannes einmal "Donnersöhne".

Für die geistige Auseinandersetzung wäre ein plumper Rückgriff auf den Matamoros töricht - ebenso dumm wie die geschichtsvergessene Manipulation am Jakobskult durch die Propagandisten der politischen Korrektheit. Aber ein wenig Kampfgeist aus der historisch gewachsenen Jakobstradition wäre für die abendländische Christenheit durchaus nützlich.


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