© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/07 17. August 2007

Substanzlose Scheckbuch-Politik
Ausländer: Ein Blick in den "Nationalen Integrationsplan" der Bundesregierung zeigt die Hilf- und Konzeptlosigkeit des Staates
Fabian Schmidt-Ahmad

Fördern und fordern" - mit diesem Schlachtruf pries einst Bundeskanzler Gerhard Schröder seine Reformbemühungen an. Vor allem die allgemein als "Hartz IV" bekannt gewordene, leicht mißratene Reform des Sozialstaates sollte auf dieses Prinzip gestellt werden. Aber daneben gab es noch andere Gebiete, die aus Sicht Schröders besondere Aufmerksamkeit benötigen. So solle man beispielsweise auch "Integration fördern und fordern", wie es in der Regierungserklärung von 2002 heißt. Schröders Nachfolgerin im Kanzleramt fand offensichtlich so großen Gefallen an dem Wortspiel, daß sie es für ihre eigene Politik gleich mitverwendet: "Integration heißt fordern und fördern", wie sie anläßlich des zweiten Integrationsgipfels feststellte. Eine zum Verwechseln ähnliche Formulierung, die möglicherweise für eine zum Verwechseln ähnliche Integrationspolitik steht.

Kandidat für ein Beispiel wäre ebenjener Integrationsgipfel. Vergangenen Sommer wurde dieser von der Bundeskanzlerin eingerichtet, wohl als Reaktion auf die im Zusammenhang mit der Rütli-Schule erneut aufkommende Integrationsdebatte. Schon vor dem ersten Zusammentreffen stand dieser in der Kritik und wurde - nicht ganz unberechtigt - von einigen Vereinen als "Schauveranstaltung" abgetan (JF 29/06). Dennoch, oder gerade deswegen, wurde dieser Gipfel von einigen Beteiligten als "historisches Ereignis" empfunden. Eine Empfindung, die diesen Sommer wiederholt werden konnte. Ergebnis des Integrationsgipfels ist der vergangenen Monat von Angela Merkel vollmundig als "Meilenstein in der Geschichte der Integrationspolitik" vorgestellte "Nationale Integrationsplan", der nun in gedruckter Form vorliegt. Aber auch hier mußte Merkel zum Teil harsche Kritik hinnehmen.

So blieben nach heftigem Protest über eine angeblich verschärfte Integrationspolitik einige türkische Interessenvertreter dem diesjährigen Gipfel fern - was allerdings mehr eine politische Geste als inhaltliche Kritik darstellen dürfte (JF 29/07). Schon jetzt signalisieren die Boykottierer ihr Interesse am Integrationsgipfel im nächsten Jahr, zumal der Protest öffentlich eher auf Unverständnis stieß.

Indes wird der Integrationsplan von der Opposition angegriffen. Kritisiert wird dabei vor allem seine Unverbindlichkeit. Denn schlußendlich stellt er lediglich eine Empfehlung dar. Allerdings ist dies eine durchweg zu begrüßende Eigenschaft. Denn wie von der Bundesregierung mit gewissem Stolz verkündet wird, enthält dieser Plan "mehr als 400 Selbstverpflichtungen". Daß hier kaum die Verpflichtungen der "Menschen aus Zuwandererfamilien" gemeint sind, versteht sich von selbst.

Beispielhaft für dieses Prinzip steht die Sprachförderung, welcher sich der "Nationale Integrationsplan" ganz besonders verschrieben hat. Nicht von ungefähr: "Wer dauerhaft bei uns leben und vielfältige Chancen ergreifen will, ... kommt nicht umhin, die deutsche Sprache hinreichend zu beherrschen", wie Merkel feststellt.

Eine besondere Rolle weist der Integrationsplan dabei den Kindertages-einrichtungen zu. Und sieht Defizite: "Die Notwendigkeit einer umfassenden sprachlichen Bildung und von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften mit den Eltern, die geprägt sind von einer Wertschätzung der Kompetenzen der Kinder und Eltern sowie der kulturellen Vielfalt als Ressource, ist nicht allen Erzieherinnen und Erziehern bewußt." Leider verschweigt der Integrationsplan, was mit den Kindern und Eltern passiert, die ihrerseits keine "Wertschätzung der Kompetenzen" der Erzieher besitzen und auch keine "Bildungspartnerschaften" eingehen, geschweige denn "kulturelle Vielfalt als Ressource" betrachten.

Aber vielleicht ist eine Antwort hierauf gar nicht nötig, denn die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege "werden - soweit möglich - Erzieherinnen und Erzieher mit Migrationshintergrund einstellen".

Vor diesem Hintergrund ist wahrscheinlich folgende Forderung der Länder zu verstehen: "Neben dem Erwerb der deutschen Sprache erkennen die Länder die Bedeutung der Mehrsprachigkeit für alle Kinder und Jugendlichen an. ... Es sind geeignete Maßnahmen zu identifizieren, die das Prinzip der Mehrsprachigkeit im Schulalltag angemessen verankern. Die Länder verpflichten sich, ... in einen kontinuierlichen Meinungsaustausch zur Förderung der Mehrsprachigkeit einzutreten." Verständlich auch, daß am Integrationsgipfel mit Ahmet Külahci, dem Chef des Berliner Büros der türkischen Zeitung Hürriyet, eigentlich ein entschiedener Gegner deutscher Sprachdominanz teilnahm. Denn die "vielfältigen Chancen", welche die deutsche Sprache bietet, werden zusehends geringer.

Statt tatsächlich zu fordern, stellt der Integrationsplan eher eine Absichtserklärung von Bund und Ländern dar, sich stärker für die Belange derer einzusetzen, die man integrieren will - sofern diese es möchten. Beispielsweise soll durch "interkulturelle Öffnung der Verwaltung" der Anteil von "Menschen mit Migrationshintergrund" erhöht werden. Oder man will die "Zahl der Ausbildungsmöglichkeiten für Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund erhöhen" und dergleichen mehr. Übrig bleibt von "fordern und fördern" also nur eine Scheckheft-Politik, die in ihrer Substanzlosigkeit der Regierung Schröder kaum nachsteht.

Lediglich sprachliche Feinheiten deuten einen möglichen Unterschied an. Alleine die Anrufung der Nation im Namen des "Nationalen Integrationsplans" geht deutlich über den emotionalen Mobilisierungsversuch eines "Verfassungspatriotismus" hinaus. Auch die Umbesetzung von "fördern und fordern" zu "fordern und fördern" spricht eine Akzentverschiebung an, die feine Ohren als leichten Hinweis verstehen könnten. Nur schade, daß man schon sehr gut die deutsche Sprache beherrschen muß, um das zu bemerken.

Foto: Eine moslemische Frau vor einem Werbeplakat in Berlin: Sprache als Schlüssel zur Eingliederung


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen