© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/07 24. August 2007

Freddy Thielemans
Der Mufti von Brüssel
von Mina Buts

Erst seit dem Verbot der für den 11. September in Brüssel geplanten Demonstration gegen die Islamisierung Europas ist der Brüsseler Bürgermeister Freddy Thielemans europaweit bekannt geworden. Er könne nicht für die Sicherheit der Demonstranten bürgen, ließ er verlauten, und wegen des hohen Anteils muslimischer Mitbürger seien gewaltsame Ausschreitungen zu befürchten (JF 34/07). Schon heute sind fast 60 Prozent der Brüsseler Neugeborenen südländischer Abstammung, und diese Bevölkerungsstruktur spiegelt sich in der Politik wider: Von den Brüsseler Ratsherren der wallonischen Sozialisten, denen auch Thielemans angehört, hat mehr als die Hälfte einen "Migrationshintergrund".

Aber genau diese Rücksichtnahme auf die Allochthonen nehmen die Veranstalter der geplanten Demonstration Thielemans übel. Denn er präsentiert sich gerne als weltoffen und tolerant. Er sei ein großer Humanist, so seine Selbstcharakterisierung, der noch an die Schönheit der Dinge des Lebens und der Menschen glaube. Beseelt von der Literatur verschlinge er alles, von Poesie über Krimis bis hin zu politischen Essays, und verschenke zu Weihnachten auch nur von ihm persönlich ausgewählte Bücher. Trotz seiner literarischen Ader, so erklärte er, denke er aber nicht daran, jemals selbst ein Buch zu schreiben, allenfalls eine Gedichtsammlung würde er veröffentlichen. Seine eigentliche künstlerische Berufung sei das Malen, insbesondere brilliere er als Karikaturist, wobei er Politiker aller Couleur aufs Korn nehme. Seine künstlerische Ader wurde vielleicht durch die Heirat mit einer wallonischen Primaballerina noch gestärkt. Seine freigeistige Gesinnung hingegen unterstreicht die Tatsache, daß Thielemans nicht kirchlich gebunden, sondern bekennender Freimaurer ist.

Nach eigenem Bekunden gehört der 1944 geborene Thielemans einer "alten Brüsseler Leh-rerdynastie" an. Seine flämische Herkunft streifte er rasch ab und sammelte bei den wallonischen Jungsozialisten erste politische Erfahrungen. Er arbeitete als Kabinettschef des Brüsseler Bürgermeisters, bis er 1994 zum ersten Mal selbst in dieses Amt aufstieg. Ab 1995 wurde er Kultursenator der Stadt und übernahm in dieser Funktion schließlich auch den Bereich Schulen und Bildung.

Nach einem kurzen Abstecher in das Europäische Parlament ist er seit 2000 wieder Bürgermeister von Brüssel. Einer der Amtshöhepunkte war die von ihm 2003 vorgenommene Trauung des belgischen Prinzen Laurent mit Claire Coombs, der ihm zumindest in der belgischen High Society ein wenig Ansehen eintrug. Der Patzer hingegen, zwei Jahre später bei der Nachricht vom Tod des Papstes Johannes Paul II. während eines offiziellen Abenddiners in Brüssel lauthals und offenbar in deutlich alkoholisiertem Zustand Champagner für die ganze Welt zu ordern, fand im immer noch überwiegend katholisch geprägten Belgien wenig Gegenliebe. Thielemans ist eine durch und durch belgische Figur. Und offen für alles, nur nicht für Kritik an der eigenen Selbstherrlichkeit.


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