© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/07 24. August 2007

Vergessener Hilfeschrei
Pastor Günters Selbstmord
Werner Olles

Obwohl auch die westlichen Medien damals darüber berichteten, wurden in der Bundesrepublik über die Selbstverbrennung des evangelischen Pastors Rolf Günter vor dem Altar seiner Kirche im sächsischen Falkenstein kaum Einzelheiten und Hintergründe bekannt. Während der Flammentod von Pastor Brüsewitz in Zeitz das vermeintlich gute Verhältnis zwischen Staat und Kirche-nachhaltig erschütterte und die DDR "in eine ernsthafte Krise stürzte" (Manfred Stolpe), wurde die Selbstverbrennung von Pastor Günter am 17. September 1978 totgeschwiegen oder zur Tat eines Psychopathen umgedeutet.

Einen erheblichen Anteil an dieser gezielten Desinformation und Manipulation hatte - neben den berufsmäßigen Fälschern des Ministeriums für Staatssicherheit - die Führung der evangelischen Kirche in der DDR. Während die öffentliche Selbstverbrennung von Brüsewitz als ein bewußter Akt des Protestes gegen den atheistischen Staat, gegen den gottlosen Kommunismus und gegen die Unterdrückung des Christentums in der DDR zu verstehen war, handelte Rolf Günter primär aus innerkirchlichen Gründen. Für Brüsewitz war die DDR das "Reich der Finsternis und Dämonie", Günter verzweifelte hingegen an den kirchlichen Mißständen, ausgelöst durch elitäre Kreise der vogtländischen Gemeinde, die mit sektenähnlichen Irrlehren wie der "Volksmission" nach seiner Meinung dem evangelischen Bekenntnis strikt zuwiderhandelten.

Statt jedoch ein kirchengesetzmäßiges Lehrzuchtverfahren durchzuführen, ließ man die Dinge laufen und die Situation eskalieren bis hin zu Günters bitterem Weg in den selbstgewählten Tod. In akribischer Kleinarbeit hat der ehemalige Zwickauer Dompfarrer Edmund Käbisch den "Fall Günter" analysiert und herausgefunden, daß die Landeskirche Pastor Günter nicht in seinem Bemühen unterstützte, die sektenähnlichen Tendenzen in seiner Gemeinde zu unterbinden, und dem "Mobbing" durch seine innerkirchlichen Gegner nichts entgegensetzte. Darüber hinaus dokumentiert das Buch den Generalangriff der Stasi auf die Kirche und die Verstrickung mancher evangelischer Pastoren in die Wühlarbeit des MfS.

Edmund Käbisch: Das Fanal von Falkenstein. Eine Studie über die Zersetzung der Kirche durch die Stasi nach der Selbstverbrennung des Pfarrers Rolf Günter. Edition La Colombe, Bergisch Gladbach 2007, broschiert, 302 Seiten, 22,90 Euro


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