© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/07 24. August 2007

Jugendwahn und Werbekunden: Die Nerven liegen blank
Kampf um die Volksmusik
Curd-Torsten Weick

Frau Hellwig? Haben Sie schon davon gehört, daß das ZDF die 'Lustigen Musikanten' absetzen möchte? - Ja? Und? - Ihr Kollege Heino ist der Meinung, man solle nun einen Euro seiner monatlichen Rundfunk- und TV-Gebühren aus Protest gegen diese Entscheidung einbehalten. - Soso. Aber mir ist das wurscht. - Schauen Sie denn nicht die 'Lustigen Musikanten' an? Oder Carmen Nebel? - Ach, das sind doch keine Volksmusiksendungen. Das sind doch mehr so bunte Programme."

Was die Vollblut-Volksmusikerin Maria Hellwig (87) dem Frager der Süddeutschen Zeitung da in den Notizblock diktierte, ließ aufhorchen, brachte aber zugleich auch wieder etwas Normalität in die Hitze des Gefechts.

Zwischen Schlager- und Volksmusik, zwischen traditioneller volkstümlicher Musik und - wie die Schweizer sagen - dem Volks-Schlager unterschied man in den letzten Wochen wenig. Statt dessen wurde die Entscheidung von ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut, die "Lustigen Musikanten" und die "Zauberwelt der Berge" auslaufen zu lassen oder auf einen anderen Sendeplatz zu legen, von den einen beklatscht ("Schluß mit der Schunkelmusik") und von den anderen beargwöhnt ("Attentat auf die Volksmusik"). Letzteres nicht zu Unrecht. Denn die Begründung - gesunkene Einschaltquoten - stach auch bei der ZDF-Show "Zauberwelt der Berge" mit der smarten Moderatorin Andrea Ballschuh nicht. Im Gegenteil. Sie wurde am Donnerstag vergangener Woche mit einem Marktanteil von 14,4 Prozent (4,10 Millionen Zuschauer) Tagessieger. Das ficht die ZDF-Programmoberen wenig. Sie wissen, daß die "bunten Programme" à la "Grandprix der Volksmusik" Publikumsmagneten sind.

Doch das ZDF will sich verjüngen und nicht mehr allein auf die Volksmusik setzen. Zu Recht? Der deutsche Fernsehzuschauer ist im Durchschnitt 51 Jahre alt, der des ZDF zehn Jahre älter, heißt es dramatisierend. Also sieht man die 4,1 Millionen "Zauberwelt"-Zuschauer als nicht nennenswerte Größe, sondern schielt auf die werberelevanten Zuschauer zwischen 14 bis 49 Jahren. Und von denen sahen nur 220.000 (Marktanteil: 2,0 Prozent) zu.

Erstes Opfer der Verjüngungskur sind nun Marianne & Michaels "Lustige Musikanten". Sie werden letztmals am 6. September den typisch bunten Musik-Mix präsentieren. Der Anfang vom Ende, könnte man meinen. Denn bei der Betrachtung des Phänomens Schlager- und Volksmusik in Radio und TV ist schon auffällig, wie sich die öffentlich-rechtlichen Programme von einem Großteil der Hörerschaft entfernen. Und die Nerven vieler Schlager- und Volksmusik-Liebhaber liegen blank. Ob beim RBB oder bei Deutschlandradio Kultur, überall hört man weniger oder vergebens. Wer Gebühren zahlen muß, soll auch seine Musik hören dürfen, heißt es dann. Doch vielerorts stellt man sich taub, verweist auf die Werbekunden, die nach Jungem dürsten.

Bei soviel Jugendwahn ist es kein Wunder, daß der Chef der Arbeitsgemeinschaft deutscher Schlager von Diskriminierung spricht und im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eine Klage in Erwägung zieht. Doch Schlager ist nun mal keine Volksmusik, und so kämpfen die Musikstile für sich. Da lohnt es sich, ein Auge auf den Bayerischen Rundfunk zu werfen, der seine mehr als 75 Jahre währende Tradition der Volksmusikpflege lebt, aber nicht die Augen schließt: "Es stimmt schon, daß man sich Sorgen machen muß um die Vielfalt unserer bayerischen Volkskultur, daß es immer weniger Leute gibt, die sich dafür interessieren und engagieren."

Aber die Verantwortlichen haben Positives zu vermelden. Denn überall präsentieren junge Musikanten Volksmusik auf ihre Weise. Der BR schwärmt: "Mittlerweile ist richtig was los." Was ein Blick in die Sendung "Wirtshausmusikanten beim Hirzinger" bestätigte: Hier spielten die "Steirischen Streich" schmissige Volksmusik. Die "Häisd'n'däisd" frönten dem "fränkischen Folk", und der Student Sebastian Daller zeigte, was ein gestandener Gstanzl-Sänger so alles parat hat.


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