© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/07 31. August 2007

Kolumne
Wo Selbstverständliches nicht mehr selbstverständlich ist
Klaus Motschmann

Im Zusammenhang mit der Verfolgung fremdenfeindlicher Gewalttaten wird inzwischen rituell die Erklärung abgegeben, daß man "in alle Richtungen" ermittele. In einem Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit, über die kein Wort verloren werden müßte. Wenn es dennoch der Fall ist, dann ist dies ein Indiz dafür, daß Selbstverständlichkeiten eben nicht mehr selbstverständlich sind. Dazu gehören die Warnung vor Vorverurteilungen und die Beachtung der Unschuldsvermutung bis zu einem rechtskräftigen gerichtlichen Urteil selbst bei einem noch so begründeten Tatverdacht.

Im Umgang mit linksextremistischen Gewalttätern werden diese Regeln peinlich genau beachtet und immer wieder lautstark eingefordert; im "Kampf gegen Rechts" bekanntlich nicht. Maßgebende Politiker, Journalisten, Professoren und sonstige "Mittler politischer Bildung und Gesittung" fühlen sich in diesem Kampf an den Grundrechtskatalog weithin nicht mehr gebunden und (ver-)urteilen so, als ob die "Rechte" keinen Anspruch auf die Beachtung der Grundrechte mehr hat.

Ein derart ideologisiertes "Rechtsverständnis" trägt zur Lösung der anstehenden Probleme selbstverständlich nicht bei. Im Gegenteil: Es schränkt die Bandbreite der unterschiedlichen Meinungen und Lösungsansätze einer pluralistischen Gesellschaft gebieterisch ein und reduziert damit den Wahrnehmungshorizont erheblich.

So erklärt es sich, daß bestimmte Fragen zum Thema nicht mehr gestellt werden, um nicht in den Verdacht rechtsradikaler Gesinnung zu geraten. Etwa die Frage, warum fremdenfeindliche Aktionen noch vor Abschluß aller Ermittlungen und Richtersprüche grundsätzlich auf das Schuldkonto der "Rechten" verbucht werden. Einem Großteil unseres politischen Nachwuchses ist nur noch sehr schwer zu vermitteln, daß derartige Aktionen in der Strategie und Taktik der linken Systemveränderer eine wichtige Rolle spielen. Sie sind zum Selbstverständnis ihres Kampfes gegen das "System" so wichtig wie das Wasser für den Fisch - abgesehen von den finanziellen Zuwendungen in Millionenhöhe, über die gesondert nachzudenken wäre.

Es gibt genügend Beispiele, daß die fremdenfeindlichen Aktionen zwar von vermeintlich "Rechten" durchgeführt, von politischen Linksgruppen jedoch geschickt instrumentalisiert worden sind. Wann wird sich der vielzitierte "investigative Journalismus" dieses Themas annehmen und auch einmal in dieser Richtung ermitteln?

 

Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaften an der Hochschule der Künste Berlin.


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