© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/07 31. August 2007

Poesie in Latein
Reaktionärer Humus: Zum Erlanger Poetenfest 2007
Werner Veith

Äußerlich war das Poetenfest wie eh und je, stets am letzten Wochenende im August: Der liebliche Schloßgarten in Erlangen öffnete sich für die neuen Bücher des literarisches Herbstes. Holztische und Bänke wurden hergeschafft. Man lauschte den Dichtern, und wenn die Sonne zu sommerlich brannte, spendeten große Laubbäume genügend Schatten, wie eh und je.

Dennoch hat sich seit dem ersten Poetenfest 1980 viel geändert: Im Jahr 2007 trägt ein Büchner-Preisträger spontan lateinische Verse vor, als seine Kindheit zur Sprache kommt, in der man frühmorgens um Sechs die katholische Messe feierte (Arnold Stadler). Ein Lyriker lobt die Klangfarbe von medizinischen Fachausdrücken. Sie klängen einfach schön (Christian Schloyer). Einem Romancier wird schmunzelnd vorgehalten, er sei ein Konservativer, ein Reaktionär, ein Fürst der Finsternis, worauf er leise spottet: "Eher ein Zirkusgeist im Feuilleton" (Martin Mosebach). Und schließlich lobt einer die katholische Erziehung: "Ich fand die leichte Züchtigung im Internat gar nicht so schlimm, im Gegenteil, es war fast erotisch. Die Ordensschwestern hätten viel fester zuschlagen können, wenn sie wollten" (Georges-Arthur Goldschmidt).

Freilich hatte Georges-Arthur Goldschmidt, 1928 bei Hamburg geboren, noch viel in Erlangen zu erzählen: Wie ihn französische Bergbauern versteckten, als die Gestapo ihn suchte, den Protestanten jüdischer Abstammung. Wie er später in Frankreich unterrichtete. "Ich wollte der deutschen Sprache immer die verlorene Würde wiedergeben, ich habe vom Nazi-Deutsch ja nichts mitbekommen, ich war ja bei den Bauern", erzählte Goldschmidt. Der Übersetzer, ganz unpathetisch "Ich bin stolz, Deutscher und Franzose zu sein." Man darf ja nicht vergessen, so Goldschmidt, daß auf den französischen Totenkreuzen "Opfer der Nazi-Barbarei" stand, niemals Opfer der Deutschen. Allein 25 Bücher von Peter Handke übertrug er ins Französische, neben Kafka, Adalbert Stifter und Nietzsche.

Und was kündigt sich Neues an für den Bücherherbst? Viel Geschlechterfolklore, viele Fami­liengeschichten wie in "Heimweg" von Harald Martenstein, wo der Vater aus russischer Kriegsgefangenschaft kommt und sich in der frischgebackenen Bundesrepublik zurechtfinden muß.


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