© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/07 31. August 2007

Frisch gepresst

Samländisches. Publikationen zur ostdeutschen Lokalgeschichte zählen inzwischen zu Raritäten der Landeshistorie. Für das ostpreußische Samland etwa liegt das letzte solide Werk (Charlotte Bartsch: "Palmnicken und sein Bernstein", 1974) lange zurück. Nun hat der emeritierte Pastor Klaus Schulz-Sandhof aus den verbliebenen Akten eine vergleichbar detaillierte Geschichte des zwischen Königsberg und dem Ostseebad Cranz gelegenen Kirchdorfs Rudau in Angriff genommen. Auf drei Bände sind diese "Bausteine zu einer Regionalgeschichte des Samlandes" berechnet. In einer wesentlich verbesserten Auflage steht der zweite, reich bebilderte zeitgeschichtliche Teil allen Heimatfreunden zur Verfügung (Radau in Rudau. Geschichte eines ostpreußischen Dorfes. Selbstverlag, Drethem/Elbe 2007, 296 Seiten, Großformat, 29 Euro). Aber nicht nur Heimatfreunden, denn der Autor ist bemüht, Dorfgeschichte und Weltgeschichte zu verbinden. Das Herzstück dieser Anstrengungen bildet die kritische Auseinandersetzung mit dem "Holocaust am Bernsteinstrand" im Januar 1945. Rudaus Ex-Bürgermeister war als Kommunalchef in Palmnicken in die Liquidierung von KZ-Häftlingen "verstrickt", die nach 1990 als "vergessenes Verbrechen" ein großes Medienecho fand. Schulz-Sandhof verfolgt diese Rudauer Spur in Palmnicken und kann manchen quellenkritischen Einwand gegen den von Martin Bergau (JF 21/07) und Andreas Kossert geschilderten Tathergang und die behaupteten Opferzahlen anbringen.

 

Ostpreußen heute. Von 1999 bis 2002 hielt sich die niedersächsische Lehrerin Luise Wolfram gemeinsam mit ihrem Mann Probst Erhard Wolfram in der russischen Exklave Kaliningrad auf, um beim Gemeindeaufbau unter Rußlanddeutschen mitzuhelfen. Ihre Erfahrungen hat sie 2004 in einem Bändchen "Störche kennen keine Grenzen" verarbeitet, dem jetzt ein zweiter Erlebnisbericht folgt (Unter dem hohen ostpreußischen Himmel. Begegnungen mit Königsberg/Kaliningrad. Brunnen Verlag, Gießen 2007, 220 Seiten, Abbildungen, 9,95 Euro). Neben Landschaftsimpressionen stehen vor allem die Schilderungen individueller Schicksale im Vordergrund, der harte, "mitten in Europa" kaum vorstellbare Überlebenskampf "kleiner Leute". Zu dieser alltäglichen Tristesse steht mitunter der typisch neuprotestantische, zwanghafte Optimismus, gewürzt mit der Gräfin-Dönhoff-Weisheit "Lieben, ohne zu besitzen", in unangenehmem Kontrast.


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