© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/07 07. September 2007

Kurswechsel bei Amnesty
Streit um "Recht auf Abtreibung"
Martina Kempf

Die Menschenrechtsgruppe hat ihre Aufgabe verraten. Daher müssen Individuen und katholische Organisationen ihre Unterstützung von Amnesty International einstellen." Das erklärte der römische Kurienkardinal Martino im Juni via Radio Vatikan, als bekannt wurde, daß Amnesty International (AI) sich künftig für das Recht von Frauen auf einen Schwangerschaftsabbruch einsetzen wolle. Doch ungeachtet der Proteste auch von Kirchen und Lebensrechtsgruppen hat Amnesty unter Generalsekretärin Irene Zubaida Khan einen neuen Kurs in der Abtreibungsfrage beschlossen. Die Internationale AI-Ratstagung in Mexiko-Stadt hat sich am 21. August offiziell dafür ausgesprochen, Schwangere müßten nach Vergewaltigung, bei Inzest und Lebensgefahr sowie Bedrohung der Gesundheit ein "Recht auf Abtreibung" haben.

Den letzten Punkt erfüllt meist schon eine Bescheinigung von Depressionen. AI hebt also auf vier besondere Fälle ab, was insofern mißverständlich ist, als die Organisation andererseits ihrer Erklärung nach eindeutig auch für alle übrigen Fälle der vorgeburtlichen Kindstötung ohne besondere Ausnahmesituation weltweit die Strafbarkeit aufheben, also die Tat legalisieren will, da eine Bestrafung einer Abtreibung "eine Verletzung der reproduktiven Rechte der Frauen" sei.

Der Begriff der "reproduktiven Gesundheit" taucht bereits 2003 in einem Strategiepapier des amerikanischen Center for Reproductive Rights and Policy  (CRR) auf. Das CRR ist eine Organisation, die international Gerichtsprozesse für abtreibungsfördernde Urteile anstrengt.

"Reproduktive Gesundheit" soll bedeuten, weltweit "sichere, legale und allgemein zugängliche Abtreibung" zu ermöglichen. Genau diese Punkte beschloß nun auch AI mit fast identischem Wortlaut. Wirksame Gesetze zum weitestgehenden Schutz der ungeborenen Kinder bestehen heute unter anderem noch in Irland, Polen, Monaco, Malta, Nicaragua, Uruguay, Mexiko, El Salvador und der Dominikanischen Republik. Die Abtreibungslobby des CRR will weltweit auf Regierungen einwirken. Bereits 2005 forderte das Europäischen Parlament (ohne die Christdemokraten und Rechten) die EU auf, für die Entwicklungshilfe "auch weiterhin die Führungsrolle bei den sexuellen und reproduktiven Gesundheitsrechten zu übernehmen und einen Mittelumfang unter anderem für Abtreibungen, wenn diese legal sind, aufrechtzuerhalten". Die EU fördert bereits heute mit europäischem Steuergeld Abtreibungen in Entwicklungsländern.

Menschenrechtsorganisationen betrachten das CRR als natürliche Verbündete für die weltweite Kampagne der "reproduktiven Rechte". Stefan Rehder äußerte in der Tagespost vorigen Monat die Vermutung einer Unterwanderung von AI durch die Abtreibungslobby, deren Strategie es sei, Schritt für Schritt ohne große Aufmerksamkeit der Opposition Anerkennung für ihre Positionen zu erringen.

Diese Vermutung könnte das widersprüchliche Verhalten der Amnesty-Führung erklären, die kurz vor Bekanntgabe ihrer Entscheidung mehrfach bestritt, für die Legalisierung von Abtreibungen einzutreten, und den Blick der Öffentlichkeit auf einzelne schwierige Fälle zu lenken versuchte wie etwa ein schwangeres Vergewaltigungsopfer im Krisenherd Darfur, um für dessen Abtreibungsverlangen den Zuspruch der Öffentlichkeit zu gewinnen. Die offiziellen Texte von AI sprechen sich jedoch nun eindeutig für die Legalisierung in allen Fällen aus.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen