© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/07 14. September 2007

Schwacher Ansatz
CDU: Der "Einstein-Pakt" ist alles, nur nicht konservativ
Karlheinz Weissmann

Soviel Ausdauer hatte man dem "Einstein-Pakt" gar nicht zugetraut, der Gruppierung jüngerer Unionsführer um Markus Söder, Generalsekretär der CSU, Stefan Mappus, Vorsitzender der CDU-Fraktion in Baden-Württemberg, Stefan Wüst, Generalsekretär desselben Landesverbandes, sowie Philipp Mißfelder, Vorsitzender der Jungen Union. Nach seinem Auftauchen im Juli mehrten sich die Kommentare, die von einem Mediencoup ausgingen, von Wichtigtuerei am Rande des Sommerlochs oder dem lobenswerten, aber kaum aussichtsreichen Versuch einiger Nachwuchspolitiker, die Grundsatzdebatte der CDU zu beleben. Nun hat es für ein Strategiepapier gereicht, das großen Zeitungen eine Meldung auf der ersten Seite wert war. Unter der Überschrift "Moderner bürgerlicher Konservatismus. Warum die Union wieder mehr an ihre Wurzeln denken muß" wird darin eine Bilanz programmatischer Defizite gezogen und mit einem Katalog von Forderungen verknüpft.

Im Zentrum steht dabei das Verlangen nach einer politischen Linie, die stärker auf Werte bezogen ist, was sich im weitesten Sinne auf christliche Leitvorstellungen bezieht. Weiter verlangt man Patriotismus und die Anerkennung der Bindungen, die für die menschliche Identität unaufgebbar sind. Zwar meiden die Verfasser den Topos "deutsche Leitkultur", rekurrieren aber ausdrücklich auf "deutsche Tugenden", die im Zeitalter der Globalisierung ihren Wert behalten. Die "demographische Krise" wird vor allem als Standortproblem betrachtet, das man pragmatisch lösen will - allerdings nicht durch ein Mehr an Zuwanderung.

Was hier als "Moderner bürgerlicher Konservatismus" angeboten wird, liest sich wie die Zusammenfassung von Kernthesen der "Neuen Mitte". Paul Nolte gehört bestimmt zu den intellektuellen Eideshelfern der Einsteiner, genauso wie das Substrat des "kompensatorischen" Konservatismus, jene von Hermann Lübbe und Odo Marquard entwickelte Auffassung, die zu bemerkenswertem Einfluß gekommen ist. Damit sind aber auch die Grenzen des Ansatzes bezeichnet: Man vermeidet die Ursachenanalyse. Die 68er tauchen als Watschenmänner auf, ansonsten wird ein - änderungsbedürftiger - Ist-Zustand benannt. Eine echte Klärung, wie es zu den mißlichen Verhältnissen kommen konnte, gibt es nicht. Das kann kaum anders sein, weil man sonst die Mitverantwortung der Union eingestehen müßte.

Man argumentiert defensiv. Es geht nur darum, daß die Union sich bitte als "auch-konservative" Partei verstehen möge, nicht um einen selbstbewußt vorgetragenen Anspruch auf Teilhabe oder sogar auf Bestimmung der Leitlinien. Das Mantra von den drei "Wurzeln" - christlich-sozial, liberal und konservativ - gleich zu Beginn des Papiers ist ein typischer Beschwichtigungsversuch.

Man meidet die heiklen Fragen; die Verfasser bewegen sich ganz bewußt am Rande des Erlaubten, des im Rahmen des politisch Korrekten gerade noch hinnehmbaren, jedes wirklich problematische Feld wird ausgespart. Ein Begriff wie "Nation" oder "Volk" taucht gar nicht auf, so wenig wie die tatsächlichen Probleme von Zu- und Unterwanderung. Man will - in der schlechten Tradition aller ähnlichen Versuche - "konservativ, aber nicht rechts" (Günter Rohrmoser) sein.

Wahrscheinlich halten sich Mappus, Söder, Mißfelder und Wüst auf diese Linie einiges zugute, betrachten sie als Ausweis politischer Klugheit. Aber das heißt eben auch, daß sie auf Mobilisierung und ein Signal der Kampfbereitschaft verzichten. Sie haben eine gefährliche programmatische Lücke der Union erkannt und wollen die gefüllt sehen. Das hat mit Parteiräson zu tun und mit der Angst davor, daß über kurz oder lang jemand außerhalb der Union ein Alternativangebot machen könnte.

Vieles spricht dafür, daß der Einstein-Pakt in der Arithmetik der Unions-Einflußgruppen einen Platz erhält, der vielleicht sogar ausbaubar ist, aber die Wähler, die die CDU in den letzten Jahrzehnten verloren hat, sind auf diese Weise nicht zurückzuholen und Attraktivität für die heimatlose Rechte - das sind wohl die "Reaktionäre" und "Strukturkonservativen" des Papiers - ist auch auszuschließen. Nicht einmal das Schreckbild eines neuen Linkstrends, dem man nur begegnen könne, wenn die Union wieder deutlich über die Vierzig-Prozent-Linie komme, wird daran nichts ändern.

Die Schwäche des Ansatzes erklärt auch die Zurückhaltung desjenigen, der im Zusammenhang des Einstein-Paktes mehrfach genannt wurde, aber demonstrativ Distanz hält: David McAllister. Der Fraktionsvorsitzende der niedersächsischen Union hat schon die "Gründungsversammlung" gemieden und auf Nachfrage mehrfach erklärt, daß er sich nicht als "Konservativen" betrachte.

Das ist bei einem Politiker seines Gewichts mit Aufmerksamkeit zu registrieren. McAllister legt offenbar mehr Wert darauf, als "Integrator" zu gelten, und will sich von einer - im weitesten Sinne: ideologischen - Positionierung fernhalten. Er folgt damit dem Vorbild von Roland Koch, der verschiedentlich als Hoffnungsträger einer konservativen Erneuerung der Union galt, es aber immer vorzog, dem Begriff "konservativ" aus dem Weg zu gehen. Ganz glaubwürdig wirkte das weder für Gegner noch für Sympathisanten, vielleicht weil man den Eindruck hat, daß hier jemand abwartet, bis die Zeit wirklich reif ist.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen