© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/07 14. September 2007

Politisch motiviert
"Kampf gegen Rechts": Brandenburg und Sachsen-Anhalt legen Gesetzentwurf zur sogenannten "Haßkriminalität" vor / Eine Analyse
Gerhard Vierfuss

Ende kommender Woche werden die Bundesländer Brandenburg und Sachsen-Anhalt ihren gemeinsamen Antrag zur Verschärfung des Strafrechts bei sogenannter "Haßkriminalität" in den Bundesrat einbringen (JF 34/07). Der Vorschlag, der in der öffentlichen Diskussion vorwiegend unter der Überschrift "Kampf gegen Rechts" verhandelt wurde, hat bereits für kontroverse Diskussionen gesorgt. Jetzt liegt der Gesetzentwurf  im Wortlaut vor. Was genau ist geplant?

Vorgesehen sind Änderungen an drei Paragraphen im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, die die Regeln der Strafzumessung, die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen (unter sechs Monaten) anstelle von Geldstrafen und die tatsächliche Vollstreckung kurzer Freiheitsstrafen betreffen. Das Kriterium, das in allen drei Fällen künftig eine schärfere Sanktion zur Folge haben soll, besteht in dem "Umstand, daß ein Beweggrund der Tat die politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, das äußere Erscheinungsbild, eine Behinderung oder die sexuelle Orientierung des Opfers ist". Das Vorliegen dieses Kriteriums soll also zunächst allgemein eine Erhöhung des Strafmaßes zur Folge
haben; außerdem sollen verstärkt Freiheits-  anstelle von Geldstrafen verhängt und dann auch tatsächlich vollstreckt werden.

In der Begründung des Gesetzesentwurfs heißt es, durch menschenverachtende und fremdenfeindlich motivierte Handlungen werde gezielt die Würde der Opfer angegriffen. Hierdurch erlitten nicht nur sie schwerste physische und psychische Verletzungen; darüber hinaus verbreiteten die Taten Angst und Schrecken in weiten Kreisen der Bevölkerung.

Der Gesetzgeber sei daher gehalten, auf derart motivierte Kriminalität in "verhaltensbildender, normverdeutlichender Weise" zu reagieren und dabei die vom Strafrecht zur Verfügung gestellten Mittel auszuschöpfen. Hierbei sei die regelmäßige Vollstreckung auch kurzer Freiheitsstrafen von besonderer Bedeutung, da bloße  Bewährungsstrafen "in diesen Kreisen" nicht als spürbare Sanktion empfunden würden. Um wen es sich bei "diesen Kreisen" für die Urheber des Gesetzentwurfs handelt, das sagen sie mit wünschenswerter Deutlichkeit: Zielgruppe sei "im besonderen"  die "Tätergruppe rechtsextremer Gewalttäter".

Für die Beurteilung des Gesetzentwurfs kommt es entscheidend darauf an, ob diese Zielvorgabe sich im Gesetzestext niederschlägt. Der Wortlaut des Entwurfs gibt nichts für eine derart einschränkende - und mit Sicherheit verfassungswidrige - Interpretation her: Er erfaßt grundsätzlich sowohl Straftaten von Links- wie von Rechtsextremisten, von Deutschen gegen Ausländer wie von Ausländern gegen Deutsche. Voraussetzung ist lediglich, daß bei der Motivation des Täters die spezifische Gruppenzugehörigkeit des Opfers eine Rolle gespielt hat. Folglich müßte sich eine derartige Gesetzesänderung beispielsweise auch auf die Verfolgung antisemitisch motivierter Angriffe auf jüdische Schüler durch Moslems auswirken. Gleiches gilt im Fall der islamkritischen Berliner Rechtsanwältin Seyran Ateş, die ihre Kanzlei zeitweilig aufgegeben hatte, weil sie von moslemischen Ehemännern ihrer Mandantinnen bedroht und tätlich angegriffen worden war. Gegenwärtig ist sie zum Praktizieren im Halbverborgenen gezwungen.

Zwar ist die Befürchtung nicht ganz abwegig, angesichts des herrschenden Meinungsklimas sei eine Instrumentalisierung eines solchen Gesetzes im "Kampf gegen Rechts" zu erwarten. Doch wird man den deutschen Rechtsstaat und insbesondere die Unabhängigkeit der Justiz als so gefestigt ansehen können, daß es auch unter politischem Druck nicht zu systematischen Rechtsbeugungen kommen wird.

Den von Kritikern erhobenen Vorwurf, die strafschärfende Berücksichtigung bestimmter Motivationslagen beim Täter führe zu einem "Gesinnungsstrafrecht", hat die Justizministerin von Sachsen-Anhalt, Angela Kolb (SPD), zu Recht zurückgewiesen -  handelt es sich dabei doch um ein im Strafrecht seit jeher angewandtes Verfahren: Ohne Zueignungsabsicht kein Diebstahl, ohne Bereicherungsabsicht kein Betrug, und der Totschlag wird zum Mord schon allein durch die niedrigen Beweggründe des Täters.

Ernster zu nehmen ist der Vorwurf, die geplante Änderung füge sich nicht in die vorhandene Systematik ein, indem sie den bisherigen, sehr allgemeinen Bestimmungen über die Strafzumessung eine einzelne konkrete hinzufüge, die in den allgemeinen bereits enthalten sei. In der Tat handelt es sich bei der geplanten Ergänzung um einen Fremdkörper im Gesetz. Jedoch wird man es dem Gesetzgeber nicht verwehren können, auch durch formal unschöne Maßnahmen tätig zu werden, wenn das vorhandene Instrumentarium von den Gerichten nicht im rechtspolitisch erwünschten Maß ausgeschöpft wird. Und für das Ziel, die strafrechtlichen Normen speziell in demjenigen Kriminalitätsbereich nachdrücklich zu bekräftigen, in dem sie auf geradezu provokative Weise in Frage gestellt werden, lassen sich gute Gründe anführen.

So scheint aus der fragwürdigen Absicht, die politisch korrekte Einäugigkeit auch in das Strafrecht hineinzutreiben, ein Gesetz zu entstehen, das in weitaus umfassenderer und für seine Urheber möglicherweise überraschender Weise zu einer Tendenzwende in der Rechtsprechung führen könnte.


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