© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/07 14. September 2007

Von einer Krise in die nächste
Sachsen: Ministerpräsident Georg Milbradt gerät immer stärker unter Druck / Absetzbewegungen der Sozialdemokraten / NPD in Umfragen vor der SPD
Paul Leonhard

Der Verfassungsschutzskandal, der Streit um die Waldschlößchenbrücke, das Sachsen-LB-Debakel, die Berichterstattung über die Vorfälle in Mügeln - die schwarz-rote Regierungskoalition mit Ministerpräsident Georg Milbradt taumelt seit Monaten von einer Krise in die nächste. Hatte Vorgänger Kurz Biedenkopf mit seiner Warnung doch recht, daß Milbradt zwar ein vorzüglicher Fachmann sei, aber ein miserabler Politiker?

Jedenfalls steht der 62 Jahre alte Christdemokrat permanent unter politischem Rechtfertigungsdruck. Es ist nicht die in den Medien breit geführte Diskussion über den angeblichen Korruptionssumpf im Freistaat und auch nicht die skandalösen Fehlspekulationen der landeseigenen Bank, die den Sachsen den Glauben an die Regierung nehmen, sondern vor allem die anhaltende Debatte um Unesco-Weltkulturerbe und Waldschlößchenbrücke in der Landeshauptstadt. Daß Milbradt nicht in der Lage ist, einen Bürgerentscheid umzusetzen, verübeln ihm insbesondere jene traditionellen Dresdner CDU-Wähler, die seinerzeit für den Brückenbau gestimmt hatten.

Bitter rächt sich, daß Milbradt seit seinem Einzug in die Staatskanzlei einen einsamen Regierungsstil mit wenigen Vertrauten führt. Es ist ihm weder gelungen, die Partei zu erneuern, noch zu mobilisieren. Seine Macht stabilisieren konnte Milbradt allein durch die hervorragende Meisterung der Jahrhundertflut vor fünf Jahren.

Der Verlust der absoluten Mehrheit 2004 und die Zwangskoalition mit der SPD zu einem Zeitpunkt, wo diese in der Wählergunst so schlecht wie noch nie dasteht, reibt die Sachsen-Union auf. Die Genossen ihrerseits wissen, daß Milbradt sie braucht. So reitet der 74 Jahre alte Cornelius Weiss, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, offene Attacken gegen den Regierungschef: "Ich muß sagen, daß die Geduld vieler SPD-Abgeordneter wirklich ausgereizt ist."

Mit seinem Vorstoß zu einem Verschuldungsverbot der Länder hat Milbradt nun zu Wochenanfang versucht, die Initiative zurückzugewinnen und die öffentliche Diskussion in eine  andere Richtung zu lenken. Ihm bleibt wenig Zeit, Punkte zu sammeln. Bereits am Sonnabend muß er vor dem Wahlparteitag in Mittweida Rechenschaft ablegen. Daß Milbradt von den Delegierten erneut zum Vorsitzender der Sachsen-Union gewählt wird, gilt aufgrund fehlender Gegenkandidaten als sicher. Die Frage ist, wieviel Prozent er holt.

Vor vier Jahren waren es noch 89,9 Prozent der Stimmen, 2005 bereits 13 Prozent weniger.  Viele Christdemokraten werden am Sonnabend die Möglichkeit nutzen, ihren Unmut über die Nach-Biedenkopf-Ära kundzutun. Vom "Niedergang der CDU in Sachsen" spricht der Bundestagsabgeordnete und frühere sächsische Justizminister Manfred Kolbe. Milbradt warf er vor, durch Mißmanagement den Freistaat, der unter Biedenkopf mit zuletzt 57 Prozent der Wählerstimmen ein Bollwerk der CDU war, soweit gebracht zu haben, daß "sogar eine Linksregierung" drohe. Jüngste Umfragen des Meinungsforschungsinstitutes Forsa sind für beide regierenden Parteien alarmierend.

Zwar wären danach bei einer Landtagswahl die Christdemokraten weiterhin die stärkste Kraft, aber lediglich mit 39 Prozent. Ihr Koalitionspartner SPD fällt auf acht Prozent zurück und liegt dabei hinter der NPD, die auf neun Prozent kommt. Eine Zweier-Koalition wäre für die CDU weder mit den Liberalen (sieben Prozent) noch mit den Bündnisgrünen (fünf Prozent) möglich. Die von der SED nun zur Linken mutierten Sozialisten befinden sich dagegen mit 27 Prozent im Aufwind.

Milbradt wird in den nächsten Monaten deswegen einen Spagat hinlegen müssen: Er muß seinen Parteifreunden demonstrieren, daß die Regierung eine an christdemokratischen Maßstäben orientierte Politik in der Tradition Biedenkopfs umsetzt. Und er muß gleichzeitig den Juniorpartner stabilisieren und soweit aufbauen, daß dieser ihm nicht abhanden kommt.  Auch eine von Milbradt angekündigte Kabinettsumbildung dürfte in diesem Sinne erfolgen. Allerdings ist bei beiden Landesparteien die Personaldecke erschreckend dünn.


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