© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/07 21. September 2007

"Die Pädophilie kommt"
Gender Mainstreaming als neues 1968: Homosexualität, Polygamie und Inzest sollen Ehe und Familie ersetzen
Moritz Schwarz

Frau Kuby, die vom Bundesfamilienministerium verantwortete Broschüre "Körper, Liebe, Doktorspiele" empfiehlt sexuelle Aktivitäten zwischen Eltern und ihren Kleinkindern. Sie haben dies mit Ihrem Beitrag "Auf dem Weg zum neuen Menschen" in JF 27/07 öffentlich gemacht. Daraufhin kam es zu so zahlreichen Bürgerprotesten, daß sich das Ministerium gezwungen sah, die Handreichung zurückzuziehen. Ist damit nun alles in Ordnung?

Kuby: Ganz und gar nicht. Zunächst: Es waren nicht nur die Bürgerproteste, sondern der mediale Druck, der nach der Veröffentlichung in der JF entstanden ist. Die in Ihrer Zeitung dokumentierten unglaublichen Zitate aus diesen Broschüren haben dann auch andere Journalisten - zuerst Jasper Juckel vom Kölner Express - aufgeschreckt. Daß die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), für deren Sexualaufklärung die Familienministerin verantwortlich ist, zur wechselseitigen Stimulierung der Geschlechtsorgane von Eltern und Kleinkindern auffordert, ist auf ziemlich einhellige Ablehnung gestoßen. Die Broschüren jedoch, so hieß es bei der BZgA, hätten große Zustimmung gefunden und seien in den letzten Jahren 650.000 mal an Eltern, Kindergärten und Familienbildungsstätten verteilt worden. Alles sei "wissenschaftlich abgesichert".

Die Ministerin wies die Verantwortung mit dem Satz von sich, es handle sich um rot-grüne Erblasten und sie könne nicht alles lesen.

Kuby: Man kann ein Erbe auch ausschlagen. Das haben eine Menge CDU-Wähler von der siebenfachen Mutter von der Leyen erwartet. Es zeigt sich aber, daß sie radikalfeministische Politik betreibt. Sie muß durchaus nicht alles lesen - denn sämtliche Veröffentlichungen der BZgA und der ihr zugeordneten Institutionen wie Pro Familia und inzwischen Donum Vitae verbreiten alle die gleiche Auffassung von Sexualität: Empfehlenswert für jedes Alter ist alles, was Lustbefriedigung verschafft, hetero-, homo-, lesbisch, bi- oder transsexuell, oral oder anal - alles in Ordnung, solange beide daran Vergnügen finden.

Können Sie Beispiele nennen?

Kuby: Nehmen Sie irgendeine Broschüre der BZgA und Sie finden Anleitungen zu sexuellen Handlungen in Wort und Bild. Die meisten kann man kostenlos bestellen oder herunterladen. Das Liederheft "Nase, Bauch und Po" für den Kindergarten animiert Kinder zu sexuellen Spielen und Selbstbefriedigung. "Jules Tagebuch" für junge Mädchen, die gerade in die Pubertät kommen, ist voll mit praktischen Anleitungen, zum Beispiel: "Ich streichelte sanft über den Kitzler und spürte, wie ich immer mehr erregt wurde. Die Scheide fühlte sich ganz feucht an. Ich mag das, wenn ich über den Scheideneingang streiche und meine Brustwarzen berühre." Immer geht es um "das erste Mal" und homosexuelle Beziehungen. Der Senat von Berlin verteilt eine 173 Seiten starke "Handreichung für weiterführende Schulen zu lesbischen und schwulen Lebensweisen". Die Stadt München unterhält für Jugendliche eine "Koordinationsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen". Und so weiter und so fort. Natürlich müssen frühsexualisierte Kinder möglichst noch vor der Pubertät zu Experten in Verhütung ausgebildet werden. Die Pille wird ihnen mühelos zugänglich gemacht. Sollte dann doch der "GAU" eintreten, daß nämlich zwei unreife Jugendliche ein Kind zeugen, dann heißt es: Entscheide selbst ... hier hast du die Adressen der Abtreibungskliniken. Damit wird die Jugend familienunfähig gemacht. Wer bestimmt, daß die Jugend nur durch Verhütung und Abtreibung vor Frühschwangerschaften geschützt werden kann, und nicht durch Erziehung zur Enthaltsamkeit? Wir brauchen dringend eine Kurskorrektur - statt staatlicher Zwangssexualisierung in den Schulen brauchen wir Erziehung zur Verantwortung und Familienfähigkeit.

Eigentlich müßte das doch selbstverständlich sein, immerhin steht die Familie unter dem besonderen Schutz der Verfassung.

Kuby: Die Väter des Grundgesetzes haben gewußt, daß gesunde Familien die Grundlage einer gesunden Gesellschaft sind. Die Sexualisierung der Jugend durch Staat und Medien zerstört in der nächsten Generation die charakterlichen Voraussetzungen für eine stabile Familie, damit meine ich - das muß man heute betonen - die lebenslange Ehe zwischen Mann und Frau und die Kinder, die daraus hervorgehen. Das ist das Leitbild, das der nächsten Generation vermittelt werden muß, auch wenn die Eltern- und Großelterngeneration im großen Stil versagt hat. Ich sitze nicht auf einem hohen Roß, denn auch ich bin geschieden. Aber das war für mich ein Anlaß, sehr gründlich in Frage zu stellen, ob die Zerstörung des Wertefundaments dieser Gesellschaft durch die Achtundsechziger-Generation eine gute Idee war. Ich habe dazugelernt.

Wie erklären Sie sich, daß es auch in der CDU keinen Widerstand dagegen gibt?

Kuby: "Der Marsch durch die Institutionen", den die strategisch weitsichtigen Mitglieder der Achtundsechziger-Generation angetreten haben, ist gelungen - und zwar in allen Parteien. Sie selbst haben die über Jahrtausende gewachsene jüdisch-christliche Sexualmoral als Fundament der Familie über Bord geworfen und haben über Jahrzehnte in Politik, Medien und Justiz alle Hindernisse schrankenloser Triebbefriedigung beseitigt: Aufhebung des Pornographieverbots, Erleichterung der Scheidung, die Befreiung der rechtswidrigen Abtreibung von Strafe, die eingetragene Lebenspartnerschaft für Homosexuelle - das Adoptionsrecht für Homosexuelle ist beim Regierungswechsel um Haaresbreite gescheitert -, die Anerkennung der Prostitution als normaler Beruf. Die nächsten Etappen sind die Legalisierung der Pädophilie, der Polygamie und die Aufhebung des Inzestverbots. Wem das zu phantastisch klingt, der sollte mal lesen, was etwa der Grünen-Politiker Volker Beck so schreibt: "Allein eine Mobilisierung der Schwulenbewegung für die rechtlich im Gegensatz zu Pädosexualität völlig unproblematische Gleichstellung von Homo- und Heterosexualität ... wird das Zementieren eines sexualrepressiven Klimas verhindern können - eine Voraussetzung, um eines Tages den Kampf für die zumindest teilweise Entkriminalisierung der Pädosexualität aufnehmen zu können." Was früher Kinderschändung hieß, heißt heute "intergenerational intimacy". In Holland wurde bereits eine Pädophilenpartei mit dem Namen "Nächstenliebe, Freiheit, Vielfalt" gegründet. All das ist Teil des sogenannten Gender Mainstreamings.

Ein Wort, mit dem kaum jemand etwas anzufangen weiß.

Kuby: Richtig. Kaum jemand kennt das Wort, obwohl Gender Mainstreaming seit 1999 entsprechend den Vorgaben der EU "Leitprinzip und Querschnittsaufgabe" der deutschen Politik ist. "Gender" ist ein aus der Grammatik entlehnter Begriff, welchen die Feministinnen auf der Weltfrauenkonferenz der Uno in Peking 1995 als Ersatz für das Wort "sex" durchgedrückt haben. "Sex" als Begriff der Geschlechtsdifferenzierung impliziert die landläufige Auffassung, daß es Männer und Frauen gibt und sonst nichts. Gender dagegen kennt viele "Geschlechter": Homosexuelle, Lesben, Bisexuelle, Transsexuelle. "GLBT" - also "gay, lesbian, bisexual, transgender" - ist die Abkürzung in den amtlichen Dokumenten der EU. Es wird als Freiheits- gar als Menschenrecht proklamiert, daß der Mensch sein Geschlecht und seine sexuelle Orientierung frei wählen könne und solle. In Deutschland gibt es an den Universitäten einhundert Lehrstühle für "Gender Studies", an denen dies gelehrt wird. Sie sind alle von Frauen besetzt. Mich würde interessieren, wie viele von ihnen verheiratet sind, Kinder haben und die "Zwangsheterosexualität" noch nicht überwunden haben. Die Kaderschmiede ist das "GenderKompetenzZentrum" an der Berliner Humboldt-Universität. Es wird mit Drittmitteln des Familienministeriums finanziert.

Es gab nie eine öffentliche Debatte über Gender Mainstreaming, weder im Parlament noch in den Medien.

Kuby: Gender Mainstreaming lebt davon, daß es keine öffentliche Debatte darum gibt. Denn das würde diese Monstrosität ganz sicher zu Fall bringen. Zum einen ist der Versuch, die Geschlechtsdifferenzierung von Mann und Frau abzuschaffen, so absurd, daß es kaum jemand für möglich hält, zum anderen bedienen sich die Gender-Ideologinnen einer so verquasten, häßlichen, bewußt verschleiernden Sprache, daß kaum jemand richtig mitbekommt, um was es geht.

Und um was geht es?

Kuby: Es geht um die Schaffung des neuen Menschen für die "Schöne neue Welt" - der geschlechtsvariable, bindungslose Mensch, den kaum mehr etwas anderes interessiert als seine eigene Triebbefriedigung. Mit ihm und ihr kann der Staat, der immer eine Tendenz zur Diktatur hat, alles machen.

Übertreiben Sie nicht? Das klingt wie Science Fiction.

Kuby: Ich wünschte, es wäre nur die warnende Phantasie der "Schönen neuen Welt" des britischen Schriftstellers und Philosophen Aldous Huxley geblieben. Aber seine berühmte Fiktion erweist sich heute als Prophetie. Das ist auch dem Spiegel aufgefallen, der am 30. Dezember 2006 einen erhellenden Artikel zum Gender Mainstreaming unter dem Titel "Der neue Mensch" veröffentlicht hat. Es wird an der heterosexuellen Vereinigung zur Zeugung des Menschen gerüttelt und damit das Fundament der Familie zerstört. Die Alten kann man davon nur begrenzt überzeugen, aber die Kinder kann man prägen und desorientieren. Wenn das Familienministerium die Schaltstelle der Gender-Ideologie ist, dann sollte es uns alarmieren, daß der Staat mit dem massiven Krippenausbau nun bereits nach den einjährigen Kindern greift.

Die Diskussion um die traditionelle Familie hat Eva Herman mit ihrem Bestseller "Das Eva-Prinzip" mächtig angestoßen.

Kuby: Eva Herman, eine Karrierefrau par excellence, ist eine "Verräterin" ihres Standes. Bekanntlich ist ja die große Mehrheit der Medienarbeiter kinderlos - angeblich siebzig Prozent. Kein Wunder, daß sie vor Wut schäumen, wenn eine der ihren sagt: "Das war ein Fehler, das Wichtigste haben wir dabei versäumt!" Eva Herman stand bereits mit ihrem ersten Buch unter heftigem Beschuß, war aber in den Bestsellerlisten ganz oben. Nun hat sie leider einen kapitalen Fehler gemacht und einen Satz gesagt, der sie zum Abschuß freigibt. Jeder weiß, daß sie nicht die geringsten Sympathien für die Ideologie des Nationalsozialismus hat, welche die Familie für die Züchtung der Herrenrasse und zur Produktion von Kanonenfutter mißbrauchte. Aber das spielt keine Rolle, endlich kann man ihr nun einen Strick drehen. Wir sind uns ja alle so einig, woran man das Böse erkennen kann: Es muß SS-Stiefel tragen!

Eva Herman ist also nicht für ihre jüngsten Äußerungen, sondern für ihre Kritik in Sachen Frauen und Familie "öffentlich hingerichtet" worden, wie sie es selbst genannt hat?

Kuby: Ja, denn Eva Herman verletzt mit ihren Thesen die zentralen Tabus dieser Gesellschaft. So etwas wurde zu allen Zeiten mit physischem oder sozialem Tod bestraft. Tabus haben die Funktion, Machtstrukturen zu schützen und Schuldige vor Anklage zu bewahren. Die meisten Menschen tragen mit Schuld am Niedergang unserer Gesellschaft und der demographischen Katastrophe durch Verstrickung in die massenhafte vorgeburtliche Tötung der nächsten Generation und durch die Vernachlässigung der Kinder und Jugendlichen zugunsten egoistischer Interessen. Wer das ins Licht stellt, muß ausgespieen werden. Eva Herman läßt man über die Klinge springen - nicht für das, was sie jetzt Falsches, sondern für das, was sie an Richtigem sagt. Ich bin dankbar, daß sich wenigstens Ihre Zeitung dagegenstellt!

Der Kampf gegen Eva Herman und die Ausbreitung des Gender Mainstreaming stehen also in Zusammenhang?

Kuby: Herman plädiert dafür, zur eigenen Geschlechtsidentität zurückzufinden, für Ehe, für Familie, für das Wohl der Kinder. All das untergräbt die Gender-Ideologie. Diese Ideologie, die keine SS-Stiefel trägt, ködert die Menschen mit amputierten und pervertierten Begriffen von Freiheit, Toleranz und Antidiskriminierung. Die Fassade ist die Forderung der Gleichstellung von Frauen und Männern. Die Pekinger Aktionsplattform von 1995 verlangt, daß fünfzig Prozent aller Arbeitsplätze von Frauen eingenommen werden und die Männer fünfzig Prozent der Säuglings- und Kinderpflege übernehmen sollen. Das Stillen wird man ihnen schon noch beibringen. Die Vätermonate beim Elterngeld von Ursula von der Leyen zielen in diese Richtung. Inzwischen geht es aber nicht mehr um Gleichberechtigung, sondern um Gleichheit von Männern und Frauen. Das wird in der EU-Grundrechtecharta von Nizza gefordert. Verschiedenheit wird in Ungleichheit umgedeutet und Ungleichheit in Ungerechtigkeit.

Und das alles fast ohne Protest der Bürger. Wie ist das zu erklären?

Kuby: Das frage ich mich auch. Warum gibt es, außer etwa bei Gruppen wie dem Familiennetzwerk, kaum einen Aufschrei? Woher nimmt der Staat das Recht, in die tiefsten gewachsenen Normen des menschlichen Zusammenlebens einzugreifen und seine Macht dazu zu gebrauchen, diese Normen zu ändern? Gibt es ein Mandat der Mehrheit der Frauen, uns der Möglichkeiten zu berauben, Mutter zu sein und in bindender Gemeinschaft mit dem Mann vor allem anderen für unsere Kinder zu sorgen? Hat die Mehrheit ihre Abgeordneten gewählt, damit sie sich dafür einsetzen, daß wir morgen unser Geschlecht ändern können, daß Homosexuelle heiraten dürfen, daß die Jugend von der Krippe an sexualisiert wird? Woher nehmen die staatlichen Institutionen die Legitimation, die Macht des Staates und Milliarden von Steuergeldern dafür zu mißbrauchen? Was wir brauchen, ist nicht Gender-Totalitarismus, welcher die Identität von Mann und Frau untergräbt und damit Männer und Frauen unfähig macht, Vater und Mutter zu sein. Das geht auf Kosten der nächsten Generation, es geht auf Kosten unserer Zukunft. Sofern Kinder überhaupt das Licht der Welt erblicken, werden sie durch das Zerbrechen der Familien zunehmend seelisch und gesundheitlich krank, sie verarmen und verwahrlosen. Nicht die Verstaatlichung der Erziehung ab der Kinderkrippe wird da Abhilfe schaffen, sondern einzig und allein das Wiedererstarken der Familie.

 

Gabriele Kuby zwang mit ihrem in der JUNGEN FREIHEIT vom 29. Juni veröffentlichten Beitrag "Auf dem Weg zum neuen Menschen" Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, die von deren Haus verantwortete Aufklärungsbroschüre "Körper, Liebe, Doktorspiele", die zu sexuellen Kontakten zwischen Eltern und Kindern auffordert, aus dem Verkehr zu ziehen. Die Soziologin studierte bei Ralf Dahrendorf und arbeitet heute als Publizistin. Sie absolvierte verschiedene Medienauftritte, etwa bei "Sabine Christiansen" oder "Menschen bei Maischberger". Die Tochter des Journalisten und Autors Erich Kuby konvertierte 1997 zum Katholizismus und gilt seitdem als eine der energischsten konservativen Gesellschaftskritikerinnen in Deutschland. Zuletzt veröffentlichte sie die Schriften "Verstaatlichung der Erziehung. Auf dem Weg zum neuen Gender-Menschen" (2007) und "Die Gender Revolution" (2006), beide erschienen im FE-Medienverlag. Darin warnt sie eindringlich vor der politischen Sexualisierung unserer Gesellschaft, wie sie im Programm des "Gender Mainstreaming" - seit 1999 offiziell Politik der Bundesregierung - ihren Höhepunkt findet. Geboren wurde Kuby 1944 in Konstanz. Weitere Informationen unter www.gabriele-kuby.de .

 

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