© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/07 21. September 2007

Das große Taktieren
Afghanistan-Mandate: Kanzleramt zieht die Fäden / Niederlage für Parteiführung der Grünen / SPD-Parteitag entscheidet im Oktober
Paul Rosen

Aus taktischer Sicht hat die Bundesregierung ein Meisterstück abgeliefert: Die Opposition zerlegt sich selbst. Und wenn es für die Bundeskanzlerin richtig gut läuft, wird auch der sozialdemokratische Koalitionspartner auf seinem Parteitag Ende Oktober in Hamburg durchs Feuer gehen und dabei erhebliche Verbrennungen erleiden. Wieder einmal sieht man, daß mit außenpolitischen Themen Innenpolitik gemacht werden kann. Afghanistan hat die Grünen inhaltlich gespalten, der SPD steht dies vielleicht noch bevor. Und das alles, weil Merkels kluge Regie zwei unterschiedliche Mandate über den Einsatz der Bundeswehr zu einer Abstimmung im Bundestag zusammenfaßt.

Die Grünen haben schon seit längerem ein Problem mit dem Einsatz in Afghanistan. Den Heereseinsatz unter dem Mandat namens Isaf finden sie noch überwiegend gut, weil nach der Berliner Regierungspropaganda Isaf in erster Linie für den Wiederaufbau und die Schaffung demokratischer Strukturen in Afghanistan steht. Dabei wird unterschlagen, daß andere Isaf-Kräfte (nicht die deutschen) in schwere Kämpfe mit den Taliban verwickelt sind. Aber das stört die Grünen nicht. Beim Einsatz deutscher Tornados gehen die grünen Meinungen schon weit auseinander. Die Führung unter Parteichef Reinhard Bütikofer und den Fraktionsvorsitzenden Fritz Kuhn und Renate Künast war für den Einsatz der Flugzeuge. Bereits im März hatte eine knappe Mehrheit der Fraktion für die Flugzeuge gestimmt. Wenn Flugzeuge und Wiederaufbau nur im Doppelpack zu haben seien, wie die Regierung vorschlagen will, dann solle man besser dafür stimmen, so der Leitantrag des Vorstandes.

Gegen die amerikanische "Operation Enduring Freedom" (OEF), bei der auch bis zu 100 deutsche Elitesoldaten vom Kommando Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan eingesetzt werden können, gab es schon vor dem Göttinger Parteitag ein klares Nein. OEF wird von den Grünen für zahlreiche Opfer in der Zivilbevölkerung verantwortlich gemacht. Das Kanzleramt hatte auch das OEF-Mandat in das Abstimmungspaket packen wollen. Dies scheiterte an SPD-Fraktionschef Peter Struck, der sich in seiner Fraktion einer Mehrheit nicht mehr sicher sein konnte. Jetzt soll der Hamburger Parteitag die sozialdemokratische Position zu OEF klären. Die anderen Mandate werden im Bundestag vorher abgestimmt.

Klar, daß bei diesen Merkelschen Winkelzügen kaum ein Mensch noch durchblickt. Der tolpatschig agierende Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hatte den Fraktionen eine Breitseite bieten und getrennt abstimmen lassen wollen. Dann hätten die Grünen, aber auch die SPD, ein leichtes Spiel gehabt. Isaf wäre mit Sicherheit verlängert, alles andere dem freien Spiel der Kräfte überlassen worden - auch auf die Gefahr einer Niederlage der Koalition beim Tornado-Einsatz hin. Das Kanzleramt nahm Jung noch rechtzeitig die Fäden aus der Hand und schnürte das Paket aus Isaf- und Tornado-Mandat.

Der Grünen-Parteitagsdelegierte Robert Zion war es, der dem Vorstand und der Fraktionsführung eine Niederlage beibrachte. Er beantragte, das ganze Paket abzulehnen und fand dafür eine breite Mehrheit der Delegierten.

Doch hinter dem Göttinger Parteitag steht mehr als die Niederlage einer Parteiführung. Es geht um die Ausrichtung der grünen Partei. Bütikofer und Kuhn können sich durchaus vorstellen, eines Tages in eine schwarze Ampel mit Union und FDP zu gehen. Das will aber der ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin nicht. Trittin träumt seit seinen Göttinger Studentenzeiten von einer Volksfront. Was an der Uni richtig war, kann im Bundestag doch nicht falsch sein, so die Überlegung. Die Parteiführung bemerkte zu spät, welches Doppelspiel der Ex-Minister trieb. Trittin hatte den Vorstandsantrag zu begründen. Damit war der Bock zum Gärtner gemacht worden. Er tat seine Pflicht, sprach von hohen Kosten für die Flugzeuge in Afghanistan und konnte sicher sein, daß keines seiner Argumente auf fruchtbaren Boden fiel. Somit ging die Abstimmung erwartungsgemäß gegen den Vorstand aus.

Mit ihrer jetzt klaren Positionierung haben sich die Grünen als möglicher Koalitionspartner für die Union verabschiedet. Sie reihen sich zusammen mit der Linkspartei in die Widerstandsfront gegen den Afghanistan-Einsatz ein. Ärgerlich ist dabei, daß die gesamte Frage des Bundeswehr-Einsatzes wieder nur unter koalitionstaktischen Aspekten diskutiert wird. Die Frage, welchen Sinn der Einsatz überhaupt hat und ob Afghanistan befriedet und demokratisiert werden will, wird erst gar nicht gestellt.

Mit Joschka Fischer wäre das nicht passiert, ärgerte sich Struck nach der Grünen-Entscheidung vom Wochenende. Das ist richtig. Fischer war als Anzugträger in der bürgerlichen Mitte angekommen. Auch sein Parteifreund Trittin trägt Anzüge. Aber für ihn gilt ein anderer Spruch des Volksmundes: Der Wolf kommt mitunter im Schafspelz daher.


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