© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/07 21. September 2007

CD: Rock
Unverbesserlich
Michael Insel

Vom Soul-Label Stax bis zum Punk-Spezialisten Stiff Records haben Plattenfirmen immer wieder als Markenzeichen für bahnbrechende neue Musik-richtungen reüssiert. Nur wenige Unternehmen haben ähnliches Interesse an einem Genre gezeigt, dessen Sternstunden längst der Vergangenheit angehören - geschweige denn neue Stimmen zu fördern oder den Helden von gestern Raum zum Experimentieren zu geben. Der Eifer, mit dem sich das italienische Indie-Label Frontiers der unverbesserlichen Fans des Melodic Rock angenommen hat, ist bewundernswert - den einen oder anderen Fehlgriff wie die Gruppe Los Angeles mit ihrem gleichnamigen Debütalbum nimmt man dafür in Kauf.

Denn zum Glück hat die neueste Auslese aus Neapel mehr zu bieten als Michele Luppis aalglatte Kollektion von Cover-Versionen, die von einer härteren Interpretation von Night Rangers "Last Chance" bis zu einer bombastischen Version von "I Will Carry You" (einer Ballade, die zuletzt von "American Idols"-Star Clay Aiken aufgenommen wurde) reichen. "Los Angeles" mag als Tribut an die goldenen Achtziger gemeint sein - herausgekommen ist ein matter Abglanz mit allzu gefälligen Arrangements, die Luppi dazu dienen, die Früchte seiner Gesangsausbildung zum besten zu geben. Die ehemalige Charts-Stürmerin Robin Beck und Marco Mendoza - laut Gitarrenlegende Ted Nugent "der beste Baßgitarrist der Welt, und er hat Soul" - indes beweisen mit ihren eigenen Soloalben, daß zu einer guten Melodic-Rock-Platte eben doch mehr gehört als hymnische Refrains, dramatische Gitarrensoli und eine theatralische Stimmführung.  

Beck erlebte ihren größten kommerziellen Erfolg seinerzeit mit der als Werbejingle für Coca Cola bekannten Hit-Single "First Time", mit der sie 1988 in Deutschland und den USA eine Nummer eins hatte. Nach zweijähriger Pause kehrte sie nun ins Studio zurück, um mit "Livin' On A Dream" das persönlichste ihrer bislang sieben Alben aufzunehmen. Mit ihrem Mann Jamie Christian, Frontmann von House Of Lords (dessen Band-Kameraden Jimi Bell und William Zampa hier Gitarre und Schlagzeug spielen), als Koproduzenten und Texteschreiber - dabei wiederum unterstützt ihn Tommy Danander, der auch auf "Los Angeles" einen Gastauftritt absolviert - hat sich die Lady mit der rauhen Stimme an dreizehn Eigenkompositionen gewagt: solider Rock'n'Roll voller Leidenschaft und Überzeugung. Kaum droht ein Gitarrensolo allzu lang zu geraten, schafft Beck  schnell stimmliche Abhilfe. 

Für die schönste Überraschung sorgt indes Thin-Lizzy-Bassist Marco Mendoza, sonst eigentlich eher für seine virtuosen Saitengriffe für Musiker wie Whitesnake oder die ehemalige Cranberries-Sängerin Dolores O'Riordan bekannt. Mit seinem Solo-Debüt "Live for Tomorrow", einer Blues- und Soul-Platte, die wahrlich unter die Haut geht, erweist Mendoza sich nun als ebenso begnadetes Gesangstalent. Mit tatkräftiger Unterstützung von Ritchie Kotzen, dem ehemaligen Gitarristen von Poison und Mr. Big, dessen eigenes blueslastiges Solo-Album "Into the Black" hier Anfang des Jahres ebenfalls Anklang fand (JF 3/07), als Produzenten und Ko-Texter ist ihm beinahe ein Meisterwerk gelungen. Für die Qualität bürgen nicht zuletzt Gastauftritte von Ted Nugent, Doug Aldrich und Tommy Aldridge von Whitesnake. Unter den zahlreichen Höhepunkten ragen insbesondere der Opener "Not For Me" mit seiner Mischung aus klimperndem Pop, Swamp-Soul und Blues-Gitarre oder der trotzige Rocker "Broken" hervor. "Still In Me" mit seinem inbrünstig-gefühlvollen Gesang ist mit fünf-einhalb Minuten immer noch zu kurz. Und "Livin' On A Dream" zeigt, was die Grundlagen des Melodic Rock alles hergeben können, wenn ein Künstler nur ein wenig Phantasie mitbringt.


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