© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/07 28. September 2007

Kontroverse um die Klimafrage
Ressourcenpolitik: Friedens- und Umweltaktivisten sind längst nicht mehr immer einer Meinung / Streitfall Atomkraft
Fabian Schmidt-Ahmad

Friedens- und Umweltschutzbewegung - beide wirkten nicht nur in Deutschland für gewöhnlich beinahe wie eine natürliche Einheit. Spätestens seit dem Nato-Angriffskrieg gegen Serbien, an dem sich Deutschland 1999 unter einer rot-grünen Regierung ohne Uno-Mandat beteiligt hat, ist offensichtlich, daß beide durchaus auch zu unterschiedlichen Positionen kommen können. Beim Punkt Atomausstieg unerbittlich, beim Thema Auslandseinsätze der Bundeswehr teilweise forscher als Alt-Konservative, so agieren die einstigen Friedens- und Umweltschutzbewegten, die heute Führungsposten bei SPD und Grünen einnehmen.

Deutlich wurde dies vergangene Woche, als die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und weitere Organisationen unter dem Motto "Energie - Ressourcen - Frieden" zu einer gemeinsamen Veranstaltung in Berlin luden. Zum einen wurde hier das Konfliktpotential erörtert, welches die natürlichen Ressourcen, allen voran die fossilen Brennstoffvorräte, für die Zukunft bieten. Zum anderen aber auch, wie eine - gerade mit Hinblick auf die drohende Erderwärmung - sinnvolle Umweltschutzpolitik vorangetrieben werden sollte: unterschiedliche Sichtweisen auf Probleme, die nicht unbedingt identisch sein müssen.

So gab beispielsweise Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, zwar seine Überzeugung zu bedenken, daß Klimapolitik ohne Koppelung an eine effektive Entwicklungspolitik utopisch sei: "Es ist auch ein Stück Hybris zu glauben, daß wir den Gesellschaften, die sich auf den Weg machen wollen, die Verbesserung der Lebensqualität (...)  zu ermöglichen, wenn wir denen sagen würden: 'Laßt das mal sein'." Dennoch lehnte der frühere SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen scharf die Vorstellung ab, Atomenergie als eine klimafreundliche Alternative zu begreifen. Auch durch die jüngsten Ereignisse im Bestreben des Iran, sich entsprechende Technologien anzueignen, sah sich Gabriel in seiner kritischen Haltung bestätigt.

Aber ausgerechnet Johan Galtung, norwegischer Konfliktforscher der ersten Stunde und Ikone der Friedensbewegung (JF 50/07), sah die Sache pragmatischer. Gerade in diesem Fall schlug der Träger des Alternativen Nobelpreis zur Entschärfung des Konflikts eine Zusammenarbeit zwischen Amerika und dem Iran vor. Was zwangsläufig mit einer moderaten Haltung Galtungs gegenüber der Atomenergie einherging: "Ich bin nicht überzeugt, daß ich hundertprozentig dagegen bin. Ich glaube, die Sicherheitsfrage ist wichtig." Auch an anderer Stelle wurden Differenzen deutlich. So schätzte Gabriel, daß die für das Klimasystem noch einigermaßen tolerierbare jährliche Pro-Kopf-Emission der Weltbevölkerung bei zwei bis drei Tonnen CO2 liegt - ein schwerer Vorwurf an die Bundesbürger, deren derzeitige Lebensweise mit neun bis zehn Tonnen CO2 pro Kopf zu Buche schlägt.

Während aber der SPD-Minister dies zum Anlaß nahm, die ehrgeizigen Klimaschutzpläne seiner CDU-Bundeskanzlerin zu präsentieren, wies Galtung auf die wissenschaftlichen Schwachstellen der Modellrechnungen hin. Denn durch die natürliche Erderwärmung, welche die Temperatur in den Weltmeeren ansteigen läßt, werde gleichfalls CO2 in die Atmosphäre freigesetzt. "Das heißt, durch Wärme kommt Kohlensäure und nicht nur, durch Kohlensäure kommt Wärme." Es sei jedoch für die Wissenschaft praktisch unmöglich, das Verhältnis zwischen geophysikalischem und durch den Menschen verursachten Ausstoß von CO2 zu bestimmen. In Verbindung mit dem Schreckensszenario, welches Gabriel in seinem Beitrag zuvor in düsteren Farben entwarf, sollte sich der CO2-Ausstoß nicht drastisch verringern, stellte sich jedoch so beim Zuhörer zwangsläufig ein etwas nihilistisches Gefühl ein.

Im anschließenden Plenum waren jedoch die Fronten wieder geklärt. So wurden Galtungs Thesen aufgrund ihrer scharfen Kritik an der US-Außenpolitik von Ruprecht Polenz angegriffen, der für die CDU den Auswärtigen Ausschuß des Bundestages leitet. Aus Sicht des Ex-CDU-Generalsekretärs habe Galtung die häufigen Interventionen der US-Regierungen unzulässig in einen Zusammenhang mit dem Ressourcenhunger der USA gebracht: "Ich will Ihnen nur sagen, ich bin jedenfalls für eine dieser Interventionen nach wie vor herzlich dankbar, und das war der Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg." Während der 1946 geborene Polenz offensichtlich auch mit den damit einhergehenden amerikanischen Bombenteppichen auf Deutschland kein Problem hat, sah die US-Menschenrechtsaktivisten Bianca Jagger, die das Plenum moderierte, die Selbstlosigkeit im amerikanischen Expansionsstreben etwas skeptischer: "Als Amerika in Nicaragua seinen Einfluß geltend machte, war zu dieser Zeit nicht Energie das treibende Motiv, jedoch andere, wertvolle Ressourcen. Heute ist fraglos Erdöl der Hauptgrund für den Irak-Krieg", meinte die in Nicaragua geborene Ex-Frau des Rolling-Stones-Sängers Mick Jagger.

Johan Galtung: Konflikte & Konfliktlösungen. Eine Einführung in die Transcend-Methode, Kai Homilius Verlag, Berlin 2007, gebunden, 256 Seiten, 19,90 Euro

Foto: Galtung, Jagger und Gabriel in Berlin: Schreckensszenarien


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