© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/07 28. September 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Inkompetenz
Karl Heinzen

In ihrer traditionellen Thronrede zur Eröffnung des neuen parlamentarischen Jahres nach der Sommerpause hat die niederländische Königin Beatrix ihre Untertanen darüber informiert, daß der Europäische Grundlagenvertrag, über den die Mitglieder der EU derzeit verhandeln, in ihrem Land nicht dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden wird. Mit dieser Entscheidung zieht sie die Konsequenz aus dem Scheitern der Bemühungen um eine Europäische Verfassung, das Niederländer wie Franzosen durch ihr unbotmäßiges Verhalten in Referenden gleichermaßen zu verantworten haben. Ob ihr Kollege im Pariser Élysée-Palast, der Bürger-König Nicolas Sarkozy, diesem guten Beispiel folgen wird, ist jedoch nicht nur fraglich, sondern muß angesichts seiner populistischen Attitüden leider bezweifelt werden.

Dabei kann, wer Sorge für die Zukunft unseres Kontinents trägt, gar nicht anders handeln als die Monarchin aus dem Hause Oranien-Nassau. Die immer mehr Bereiche erfassende Integration der zudem immer größer werdenden Europäischen Union ist zu wichtig, als daß man ihren Fortgang dem wankelmütigen Gutdünken der Bürgerinnen und Bürger anheim stellen dürfte. Zu oft nämlich haben diese in der Vergangenheit einen Mangel an Kompetenz und leider auch gutem Willen unter Beweis gestellt, wenn es galt, die eigenen Interessen seriös und konstruktiv zu identifizieren.

Es ist sicherlich richtig, daß Fortschritte in und für Europa nicht ohne seine Menschen zu erreichen sind. Es ist andererseits aber ebenfalls zutreffend, daß sich diese Fortschritte allzu oft nur gegen den erklärten Willen der Menschen durchsetzen lassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn wesentliche Weichenstellungen vorzunehmen sind. So darf man davon ausgehen, daß wir noch heute den Euro missen müßten, wäre man vor seiner Einführung auf die aberwitzige Idee verfallen, ihn Referenden zu unterwerfen, die ihn tatsächlich hätten aufhalten können. Wer es an Zuverlässigkeit mangeln läßt, kann schließlich kein seriöser Partner sein, der mitsprechen darf. Dies ist in der Politik nicht anders als im privaten Leben.

Und dennoch sollte man nicht in eine unnachsichtige Bürgerschelte verfallen. Europa ist schon für die berufsmäßig mit ihm befaßten Politiker, Beamten und Wirtschaftsführer eine überaus komplexe Angelegenheit, die sich kaum überblicken läßt. Wie sollte es da für die Bürgerinnen und Bürger einfacher sein, sich eine fundierte Meinung zu bilden? Gerade aus diesem Grund aber muß man sie davor bewahren, daß sie sich durch ihre unvermeidbare Inkompetenz selbst Schaden zufügen.


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