© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/07 28. September 2007

Meldungen

Geisteswissenschaften: Europäische Akzente

BONN. Im Vergleich mit ihrer omnipräsenten Kabinettskollegin Ursula von der Leyen wirkt die Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) geradezu medienscheu. Wer jedoch glaubt, dies sei ein Indiz für die unauffällige, aber um so effizientere Arbeit ihres Ministeriums, muß sich durch die breite Front der Kritiker an der aktuellen Hochschul- und Wissenschaftspolitik eines Besseren belehren lassen, die zuletzt die offenbar gewordene Vernachlässigung geisteswissenschaftlicher Disziplinen ins Visier nahmen. Schavan sucht dagegen ihr Heil in der Offensive (Die politische Meinung, Nr. 454/07). Ohne auf die unter Rot-Grün eingeleitete und von ihr nicht gestoppte Kahlschlagpolitik einzugehen, will sie mit Zahlen beeindrucken. Die Geisteswissenschaften seien im Ausland hoch angesehen, im Inland bei Studenten beliebt. Sonst hätten sich ihnen 2005 nicht 82.000 Studienanfänger zugewandt - Tendenz steigend. 2006 habe ihr Ministerium 210 Millionen Euro für die Geisteswissenschaften bereitgestellt. Ein Betrag, der allerdings weniger imposant ist, wenn man auf die fünfzig Millionen Euro allein für kommunikationstechnologische Forschungen blickt, die Schavan erwähnt. Für die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften setzt sie derweil auf "international sichtbare Schwerpunktbildungen" mit "europäischen" Akzenten. So habe man gerade den Erfurter Forschungsverbund "Mobilisierung von Religion in Europa" mit 1,5 Millionen unterstützt.

 

Romantische Rückschau: Grüne Rentnerutopien

BERLIN. Im November 2007 wäre Petra Kelly, die Galionsfigur der "Grünen", sechzig Jahre alt geworden. Daß die parteinahe Heinrich-Böll-Stiftung dies zum Anlaß einer Tagung nimmt, ist selbstverständlich, weist aber auch darauf hin, daß die "Bewegung" ins Rentenalter kommt. In merkwürdigem Kontrast dazu steht, daß sich die Bildungspolitik der Stiftung weiterhin regressiv an infantile ideologische Versatzstücke klammert (Bildungswerk Berlin-Brandenburg, 2. Halbjahr 2007). Sonst würde man kaum Veranstaltungen über "Lebensentwürfe lesbischer lateinamerikanischer Migrantinnen", Wochenendseminare über "Antisemitismus in der globalisierungskritischen Bewegung" oder den x-ten Rechtsradikalismus-Vortrag Wilhelm Heitmeyers offerieren. Auch das herbstliche Schwerpunktthema "Lateinamerika" ist von romantischen Reminiszenzen durchsetzt. Obwohl die dortige "linke Wende" erst zaghafte Euphorie provoziert, beschwingt die Seminarankündigungen doch der uralt-linke Utopismus, der "Weg zu einer solidarischen Gesellschaft jenseits des neoliberalen Kapitalismus" werde in Bolivien oder Brasilien soeben beschritten.

 

Weit mehr Mauertote als offiziell angenommen

BERLIN. Während die Berliner Staatsanwaltschaft von 270 nachweislichen Todesfällen an der innerdeutschen Grenze einschließlich Berlins infolge eines Gewaltakts der Grenzsicherungskräfte inklusive von Minen und Selbstschußanlagen spricht, hat die Zentrale Ermittlungsgruppe für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV) 421 Verdachtsfälle auf Tötungen durch die bewaffneten Kräfte der DDR registriert. Wie nun die "Arbeitsgemeinschaft 13. August" enthüllt, hätten Recherchen bis heute sogar eine Zahl von 1.201 Todesopfern nachgewiesen. Und dies sei "keine Endbilanz", betonte die dem Berliner Haus am Checkpoint Charlie nahestehende Vereinigung.

 

Erste Sätze

Spätnachmittag im Mai; zwei Hauenburger hockten auf dem Brunnenrand, schauten über den Dorfplatz. 

Hanns Heinz Ewers: Reiter in deutscher Nacht, Stuttgart 1932


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