© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/07 05. Oktober 2007

Schulterschluß mit ehemaligen FAP-Kadern
Parteien I: Während sich FPÖ, Republikaner und Pro Köln mit der NPD an einen Tisch setzen, öffnet sich die Partei für Köpfe der Neonaziszene
Werner Becker

Es war kein alltägliches Ereignis, als sich am 25. September in Straßburg die führenden Vertreter von NPD, DVU, Republikanern und Pro Köln trafen, um eine gemeinsame deutsche Wahlliste zur Europa-Wahl zu erörtern. Verwunderung löste nicht nur das tatkräftige Engagement des FPÖ-Europaabgeordneten Andreas Mölzer aus, der die Teilnahme der NPD einfädelte und hierfür Widerstände aus dem Weg räumte, sondern auch die Anwesenheit des Vorsitzenden der Republikaner, Rolf Schlierer, der sich bislang strikt gegen jede Zusammenarbeit mit der NPD ausgesprochen hat (siehe auch Seite 10 sowie den Artikel unten auf dieser Seite).

Eingeladen hatte zu dem Treffen die Rechtsfraktion im europäischen Parlament "Identität, Tradition, Souveränität" (ITS) unter Federführung des FPÖ-Politikers Andreas Mölzer. Daß Schlierer und auch Vertreter von Pro Köln nicht wußten, auf wen sie sich einließen, wenn sie einer Kooperation mit der NPD zustimmten, darf ausgeschlossen werden.

Allerdings ist fraglich, ob sich die Mitglieder der ITS-Fraktion und vor allem der FPÖ wirklich im klaren darüber waren, welche Liaison sie sich mit der NPD und ihrem Umfeld einhandeln. Die Parteiführung unter Udo Voigt und Holger Apfel, die großen Wert auf bürgerliches Auftreten legen, hat in den zurückliegenden Jahren systematisch den einflußreichsten Köpfen der deutschen Neonaziszene - ausnahmsweise ist der Begriff hier einmal treffend - den Weg in Führungspositionen der NPD und der sogenannten "Volksfront von rechts" gebahnt.

So wurden mittlerweile nahezu sämtliche Führungskräfte der 1995 verbotenen rechtsextremen Freiheitlichen Deutschen Arbeiter Partei (FAP) in die NPD aufgenommen oder kooperieren mit ihr. Bei der 1984 gegründeten FAP handelte es sich nicht um irgendeine Rechtspartei, sondern um eine rechtsextreme und militante Vereinigung, deren Mitglieder unter anderem an Brandanschlägen und tödlichen Schießereien mit der Polizei beteiligt waren und die sich als Nachfolgepartei der NSDAP verstand.

Jüngstes Beispiel für diese Kooperation ist der ehemalige FAP-Funktionär und jetzige Sprecher der am Wahlkampf der niedersächsischen NPD beteiligten "Freien Kräfte", Dieter Riefling. Die Zusammenarbeit mit dem unter anderem wegen Körperverletzung vorbestraften 39jährigen war selbst in der NPD zeitweise umstritten: 2005 erteilte der NPD-Landesvorsitzende in Nieder­sachsen, Ulrich Eigenfeld, Riefling auf einer Demonstration in Göttingen Redeverbot. Dennoch durfte Riefling nun beim Wahlkampfauftakt der NPD in Niedersachsen in Hannover vor gut zwei Wochen als offizieller Redner auftreten (JF 40/07). Die Rede Rieflings kann als Signal an die radikalen "Freien Kräfte" bewertet werden. Mit ihnen gibt es seitens der Parteiführung der NPD in den vergangenen Wochen eine wachsende Kraftprobe (JF 37/07).

Spektakulärer noch als das Auftreten Rieflings war, daß in Hannover als offizieller Redner mit großem Bahnhof der parteilose Rechtsextremist Christian Worch empfangen wurde. Worch gehörte zum engsten Umfeld des 1991 verstorbenen Neonaziführers Michael Kühnen. Mit diesem gründete er 1977 die Aktionsfront Nationaler Sozialisten  (ANS).

Nachdem Kühnen 1979 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, übernahm Worch die Führung der ANS, die jedoch 1993 verboten wurde. Im Anschluß war er Führungsmitglied der FAP. Worch gilt als Schlüsselfigur der "Freien Kräfte" als einer der stärksten Kritiker der NPD aus dem rechtsextremen Lager, denen die Partei immer noch zu "systemkonform" und gemäßigt ist. Insofern darf seinem Redebeitrag zum Wahlkampfauftakt der NPD in Hannover einige Bedeutung beigemessen werden - zumal Holger Apfel gerade von seiten der "Freien Kräfte" und hier maßgeblich von Worch bereits des öfteren erheblich angegriffen worden war.

Daß der in der Partei einflußreiche sächsische NPD-Fraktionschef Apfel aus Protest gegen die Anwesenheit von Riefling und Worch auf seinen geplanten Redebeitrag in Hannover verzichtete, wurde aufmerksam registriert. Apfel lehnte es gegenüber der JUNGEN FREIHEIT auf Anfrage ab, seine Motive hierfür zu nennen. Auch der Generalsekretär der NPD, Peter Marx, lehnte eine Stellungnahme gegenüber der JF ab. Christian Worch spottet indes auf seiner Internetseite über Apfels Schweigen und erklärt drohend, in einer aufstrebenden Partei wie der NPD lasse "sich selbst ein Fraktionsvorsitzender eines deutschen Landtages ersetzen".

Anwesend in Hannover war auch der von der ANS kommende Top-Rechtsextremist Thomas "Steiner" Wulff. Dieser gehörte ebenfalls zum engen Umfeld Kühnens. 1994 gründete er zusammen mit Worch das Aktionsbüro Norddeutschland, sozusagen eine Koordinierungsstelle der "Freien Kameradschaften". Zusammen mit Thorsten Heise und Ralph Tegethoff (ebenfalls ehemals FAP und Mitglied der 1994 verbotenen rechtsextremen Wiking-Jugend) trat Wulff 2004 der NPD bei, wodurch es zu einer Art Bruch mit Worch kam.

Bei der Bundestagswahl 2005 kandidierte Wulff auf der Landesliste der NPD in Mecklenburg-Vorpommern. Bei der Wahl zum Parteivorstand im Oktober 2004 verzichteten Tegethoff und Wulff zugunsten von Thorsten Heise. Seitdem ist Heise (bis zu ihrem Verbot Landesvorsitzender der FAP in Niedersachsen und unter anderem wegen Körperverletzung mehrfach vorbestraft) Mitglied des NPD-Parteivorstandes und dort zuständig für die Koordinierung der Zusammenarbeit mit den militanten Kameradschaften.

Seit Oktober 2006 gehört dem Bundesvorstand der NPD auch der mehrfach wegen Körperverletzung verurteilte Rassenideologe und Holocaust-Leugner Jürgen Rieger an, zuständig für das "Referat Außenpolitik". Im gleichen Monat trat mit Friedhelm Busse ein weiteres ehemaliges Führungsmitglied der FAP der NPD bei. Busse war bis zum Verbot der FAP deren Vorsitzender. Zudem war er ab 1949 Mitglied der Reichsjugend, der Jugendorganisation der 1952 verbotenen NSDAP-Nachfolgepartei Sozialistische Reichspartei (SRP). Busse wurde bereits mehrfach zu Haftstrafen verurteilt, unter anderem wegen schwerer Körperverletzung und versuchtem Bankraub.

Die NPD ist momentan durchaus in einer Zwickmühle. Sie weiß um das Gefahrenpotential, das die zahlreichen Neonazigrößen in ihren Reihen bilden. Dennoch ist sie auf die Zusammenarbeit mit diesen Kräften angewiesen. Die massenhafte Verteilung von Parteiwerbung während der Wahlkämpfe, die medienwirksamen Großdemonstrationen und ihre Attraktivität vor allem bei politisch orientierungslosen Jugendlichen im Osten wären ohne die Unterstützung der "Freien Kräfte" nicht vorstellbar.

Foto: Christian Worch auf einer NPD-Demonstration in Celle: Schlüsselfigur der "Freien Kräfte"


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