© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/07 05. Oktober 2007

Die Linke und die Nation
Ein Kongreß in Berlin mit dem Publizisten Jürgen Elsässer
Ekehard Schultz

Ende 2000 erklärte die damalige Vorsitzende der PDS, Gaby Zimmer, auf dem Cottbusser Parteitag der Linksaußen-Partei ihre "Liebe zu Deutschland". Als Zimmer dann nur zwei Tage später diese Worte auch in einem Interview mit der taz verteidigte, ließ sich an den heftigen Reaktionen insbesondere aus den Reihen der westdeutschen Parteigenossen bereits erahnen, daß dies den Auftakt für eine längere Debatte in linken und linksextremen Publikationen sowie bei Bildungsträgern über das Verhältnis "der Linken" zur Nation darstellen würde.

Über viele Wochen und Monate war der "Patriotismusstreit" der PDS ein zentrales Thema in den Medien. Während Zimmer von ihren mitteldeutschen Parteikollegen wie Gregor Gysi Unterstützung erhielt, geriet sie insbesondere in das Visier westdeutscher Linker, die allein schon in dem Versuch, das Wort "Vaterland" als nicht ausschließlich negativ besetzten Begriff zu benutzen, "ein Rollback zum Völkischen" sahen. Die PDS-Führung habe nun endgültig eine "Wendung zum Nationalismus" vollzogen, scheue nicht "Berührungspunkte zur extremen Rechten" und betreibe "nationale Begleitmusik", obwohl allein aus "der Existenz einer deutschen Nation nichts Positives resultiere", so einige der damaligen Schlagzeilen auf der "antifaschistischen" Internetplattform nadir.

Nun hat vor einem Jahr die Debatte um das Verhältnis von Linken zur Nation erneut Nahrung erhalten. Dem Publizisten Jürgen Elsässer, einst Junge Welt-Redakteur, nach einem redaktionsinternen Streit Begründer der bewußt anti-nationalen Abspaltung Jungle World, dann Konkret-Autor und inzwischen wieder bei der Jungen Welt, wurde von der Zeitschrift Der rechte Rand vorgeworfen,   "deutschnationales Gedankengut" in der Linken wieder "hoffähig machen" zu wollen. Denn dieser habe nunmehr nicht nur ein "positives Verhältnis zur deutschen Nation" entdeckt, sondern leiste darüber hinaus mit seiner "undifferenzierten Globalisierungskritik", seinem "Antiamerikanismus" und Anti-Neoliberalismus für nationalistische und völkische Parteien und Gruppen Schützenhilfe. Als Indizien dafür wurden Elsässers angebliche Sympathie für die serbischen Cetniks wie auch für kleinere slowenische und kroatische Parteien ebenso gewertet wie die jüngste Publikation mit dem Titel "Angriff der Heuschrecken - Zerstörung der Nationen und globaler Krieg". Dort stünden - so der Jungle World-Autor Bernard Schmid - "klassische rechte Argumentationsmuster" im Zentrum. Damit wate Elsässer - so Schmid - "eindeutig im braunen Sumpf".  

Doch wer nun auf der Berliner Konferenz "Die Linke und die Nation", die am vergangenen Wochenende im ehemaligen Gebäude des SED-Zentralorgans Neues Deutschland stattfand, erwartete, daß Elsässer besonders Provozierendes von sich gab, wurde enttäuscht. Denn letztlich zog er nur nüchterne Vergleiche der deutschen Linken mit linken Bewegungen in anderen Staaten. Dort habe "die Linke begriffen", so Elsässer, daß eine Verteidigung des Nationalstaates an sich "nichts Schlechtes" sei. Dieser sei in seiner bisherigen Form zwar "dringend reformbedürftig", jedoch als "solcher noch nicht überholt". Schon daher müsse man bei der Bekämpfung des "kapitalistischen Einheits- und Globalisierungswahns" mit dem Vorhandenen agieren, und dies seien für "die überwiegende Zahl von Menschen" immer noch "die herkömmlichen Strukturen".

So war es auch nicht verwunderlich, daß außer wenigen Zwischenrufen niemand Elsässers Ausführungen störte oder grundsätzlich in Frage stellte.


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