© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/07 05. Oktober 2007

Kunterbunte Auren
Politische Zeichenlehre XXXIII: Flagge des Buddhismus
Karlheinz Weissmann

Bei den Demonstrationen in Burma stechen optisch neben den roten Roben der Mönche deren Fahnen hervor, die sie in einer merkwürdig starren Haltung mittragen: regenbogenartig gestreifte Banner, senkrecht sechsfach geteilt: blau-gelb-rot-weiß-orange, die letzte Bahn nimmt die Farbenfolge in waagerechter Anordnung wieder auf. Kommentiert findet man dieses Symbol selten, obwohl es in Ostasien und darüber hinaus verbreitet ist. Es handelt sich um die "Flagge des Buddhismus".

Die Farbenfolge wird zurückgeführt auf die Aura, die Buddha umgab, als er unter dem Bodhi-Baum sitzend die Erleuchtung erfuhr: Blau für das universale Mitleid mit allen Lebenwesen, Gelb für den "mittleren Weg" zur Erkenntnis, Rot für den Segen, der aus den Lehren Buddhas fließt, Weiß für deren Reinheit, Orange für deren Wahrheit, die Kombination aller Farben als Ausdruck für die absolute Geltung des Buddhismus, der Frieden und Harmonie für die Menschen aller Rassen bewirken kann.

Fahnen spielen im Buddhismus traditionell eine wichtige Rolle, aber weniger als militärische oder politische Symbole, sondern im Zusammenhang von Ritual und Devotion. Das erklärt wahrscheinlich auch, warum die Vorstellung verbreitet ist, die Streifenflagge sei uralt und gehe auf die Antike zurück. Tatsächlich wurde sie aber zuerst 1885 auf Ceylon gehißt und war eine Erfindung des amerikanischen Journalisten Henry S. Olcott.

Olcott hatte zu diesem Zeitpunkt schon ein bewegtes Leben als Offizier und Jurist hinter sich und begann nun am Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Studium der Weisheitslehren Asiens. Wie viele Westler interessierte ihn aber weniger die Menge der authentischen Konzepte, sondern deren Interpretation durch die europäische beziehungsweise nordamerikanische Esoterik. Jedenfalls war er 1880 auf Ceylon Helena Blavat­sky begegnet, deren "Theosophie" außerordentlichen Eindruck auf ihn machte. Olcott gründete die Buddhist Theosophical Society und gehörte zu den ersten Weißen, die an eine buddhistische Weltmission nach christlichem Vorbild dachten.

Von Olcott stammte ein buddhistischer Katechismus und der Entwurf für eine buddhistische Variante des Weihnachtsfests, außerdem gründete er buddhistische Schulen und nach dem Vorbild des YMCA einen YMBA (Young Men's Buddhist Association). In diesen Zusammenhang gehörte auch der Entwurf einer buddhistischen Flagge. Als Olcott 1907 starb, wickelte man seinen Leichnam in die amerikanische und die buddhistische Flagge.

Letztere weht heute auf zahlreichen buddhistischen Tempeln und Kultureinrichtungen innerhalb und außerhalb Asiens. Gelegentlich finden sich Varianten in der Farbfolge, und in Burma ist neben Olcotts Modell noch ein anderes in Gebrauch, dessen Tuch geteilt erscheint, links senkrecht angeordnet die bekannte Farbfolge, aber der letzte Streifen in grün, die rechte Hälfte nehmen dieselben Farben in waagerechter Anordnung ein. Dabei sollen unterschiedliche Auffassungen über die oben erwähnten Auren Buddhas eine Rolle spielen.

Aber das ist für den praktischen Gebrauch kaum von Belang. Auffällig scheint vielmehr, daß die Opposition sich heute ausschließlich dieser religiösen Symbolik bedient. Die Ablehnung des Regimes ist offenbar so grundsätzlicher Natur, daß die Verwendung der Nationalflagge nicht in Frage kommt, aber man meidet auch die Embleme der früheren Opposition, wie sie von den Organisationen der Exil-Burmesen weiter verwendet werden. Darunter vor allem der "kämpfende Pfau" (in Gelb auf rotem Tuch, im Fall der relativ starken National League for Democracy mit einem weißen fünfzackigen Stern im Obereck), eine Variante des ältesten burmesischen Nationalsymbols, das zur Zeit des Königtums der Kongbaung-Dynastie aus einem Pfau mit aufgeschlagenem Rad bestand.

Diese Zurückhaltung in bezug auf die politische Symbolik im engeren Sinn mag ein Ausdruck der Vorsicht sein, kann aber auch verstanden werden als Versuch, dem Widerstand eine Legitimität zu verleihen, die im asiatischen Raum schon zum Sturz anderer despotischer Regime - etwa des südvietnamesischen in den 1960er Jahren - ganz wesentlich beigetragen hat.

Die JF-Serie "Politische Zeichenlehre" des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.


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