© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

Eleganz und Weltläufigkeit
Katalanische Literatur
Robert Backhaus

So etwas hat es weder vorher noch nachher je wieder gegeben. Die katalanische Literatur, Gast auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse, begann mit einem Paukenschlag vor siebenhundert Jahren, der heute noch nachhallt. Ihr "Vater", Ramón Llull, Seneschall von Mallorca und intimer Ratgeber des Königs von Aragon, war Lyriker und Romancier, hochgelehrter Logiker und Missionar und Grammatiklehrer - und er konstruierte die erste Rechenmaschine der Weltgeschichte, vulgo: den ersten Computer!

Es war Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, da begannen in den Klöstern Mallorcas und am Hofe des Königs Jakob II. eng beschriebene Gazellenhäute und Pergamente zu zirkulieren, die sofort Sensation machten und alle Katalanen, die lesen konnten, mit Stolz erfüllten. Denn sie waren in katalanisch geschrieben, einer Sprache, die bis dahin kaum je in Schrift fixiert worden war. Und ihr Verfasser, eben Ramón Llull, schrieb so biegsam und farbenreich, so gelehrt und gleichzeitig volkstümlich, daß Bewunderer dieses Katalanisch ohne Zögern mit der Sprache Homers bzw. Vergils verglichen, und zwar mit besten Gründen.

Nicht weniger gut als Katalanisch beherrschte Llull Lateinisch und Arabisch, und vieles von diesen damaligen Weltsprachen ist in sein Katalanisch eingeflossen. Das verschaffte der katalanischen Literatursprache von Anfang an eine Eleganz und Weltläufigkeit, die sich das Spanische oder das Portugiesische erst mühsam aneignen mußten. Spätere katalanische Dichter, so der eminente Ausìas March im vierzehnten Jahrhundert, Vicene Garcia im siebzehnten oder Victor Català im neunzehnten, haben von dieser originären Weltläufigkeit profitiert.

Das Katalanische und seine Literatur reichen weit über die Grenzen der heutigen spanischen "autonomen Gemeinschaft" Catalunya mit der Hauptstadt Barcelona hinaus. Teile von Aragonien und Andorra gehören dazu, ebenso das französische Roussillon (Nordkatalonien). Überall dort versteht und gebraucht man die Sprache Ramón Llulls, überall dort huldigt man auch dem schönen Brauch, sich am 23. April, dem Tag des katalanischen Schutzheiligen Sant Jordi (St. Georg), gegenseitig mit Büchern zu beschenken. Freilich, der Computer, Ramón Llulls Rechenmaschine, wird dabei immer irgendwie mitgedacht.


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