© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

Gehäkelter Sinnspruch
Einführendes zu Kondylis
Dirk Raabe

Obwohl die in deutscher Sprache verfaßten Werke des griechischen Privatgelehrten Panajotis Kondylis (1943-1998) hierzulande nur in ersten Verlagshäusern erschienen, blieb eine Publikumsresonanz aus, wie sie der Reklameapparat von Suhrkamp oder Hanser auch "schwierigen" Denkern verschafft. Der Verdacht ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, daß Kondylis selbst bei höchstem Werbeetat nicht "marktgängig" zu machen gewesen wäre. Denn im Gegensatz zu Unselds Hausgöttern lag er derart quer zum Zeitgeist, war nicht geeignet zur Mitarbeit am bundesdeutschen Überbau, der Konstruktion von Luftschlössern "kommunikativen Handelns" und universalisierbarer "Verfahrensrationalität".

Wie belanglos sich solche Wünschbarkeiten aus der Kondylis-Perspektive ausnehmen, veranschaulicht eine Reihe von Studien, die Falk Horst zwecks "Einführung ins Werk" zusammengestellt hat. Man beginne mit Eberhard Straubs pointierter Nachzeichnung seiner Dekonstruktion des "Konservativismus" im 20. Jahrhundert: Dessen Verfechter mußten sich mit ihren Ideen ("Sinnsprüche für gehäkelte Zierleisten") von Kondylis genauso verletzt fühlen wie die auf "Verwestlichung" eingeschworenen "Entwickler einer spezifisch deutschen Ideologie".

Der Konservatismus, so Kondylis' These, sei der "Klassenstandpunkt" des Adels, keine "unschuldige Einübung in die Weltharmonielehre". Die heroischen Zeiten des Konservatismus lägen daher im 17. und 18. Jahrhundert. Spätestens nach 1918, nun ohne soziale Basis, tauge der Konservatismus nur, um das "unterkühlte Heim umsatzorientierter Marktwirtschaftler" mit "Gemütswerten" auszustatten. Damit unterschieden sich "Wertkonservative" in keiner Weise von "Machern" liberaler oder sozialdemokratischer Provenienz.

Einen für viele erschreckenden Einblick ins Desillusionierungspotential der politischen Schriften des Griechen vermittelt Andreas Krause Landt, etwa wenn er aufmerksam macht auf dessen Analyse der "Menschenrechte", die in ihrer westlichen Reduktion auf das Recht auf Wohlstand in Zeiten von Bevölkerungsanstieg und Güterknappheit zu globalen Spannungen ungeahnten Ausmaßes beitragen könnten.

Falk Horst (Hrsg.): Panajotis Kondylis. Aufklärer ohne Mission. Aufsätze und Essays, Akademie Verlag, gebunden, Berlin 2007, 198 Seiten, 39,80 Euro


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