© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

Frisch gepresst

Neoliberalismus. Die bundesdeutsche Politologie beschwört in einer nicht enden wollenden Publikationsflut das "Ende des Nationalstaates", der endlich "in Europa" aufgehe. Seit der EU-Verfassungsentwurf in den niederländischen und französischen Plebisziten durchs Rost gefallen ist, beschleicht diesen akademischen Internationalismus Katerstimmung. Die "Demokratiedefizite" der EU werden entdeckt, ebenso die "neoliberale" Grundierung des Brüsseler Molochs. Europa- und Globalisierungkritik gehen dabei nahtlos ineinander über. Dies ist auch in der von Christoph Butterwegge, Bettina Lösch und Ralf Ptak formulierten "Kritik des Neoliberalismus" (Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, broschiert, 298 Seiten, 12,90 Euro) der Fall. Ohne Helmut Kohls Lieblingsvokabel "unumkehrbar" zu erwähnen, meinen die Autoren doch, daß die Verfechter des Neoliberalismus unter Berufung auf "Sachzwänge des Marktes" und des globalen Wettbewerbs ihre Politik nahezu diktatorisch exekutieren, so daß "die Demokratie zerfällt". Mit diesem Lamento kommen Butterwegge&Co. leider nirgends über den in sieben Auflagen verbreiteten Klassiker der Globalismus- und Neoliberalismus-Kritik hinaus, die "Grenzen der Globalisierung" von Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf.

Rathenau. 2005 warf Wolfgang Brenner eine mehr journalistisch flotte denn zeithistorisch innovative Biographie des "Deutschen und Juden" Walther Rathenau (1867-1922) auf den Buchmarkt. 2006 folgte das wissenschaftliche Pendant, die wuchtige Arbeit von Christian Schölzel (JF 05/06), die bislang gründlichste Gesamtdarstellung, die den Leser aber einem wahren Fußnotenhagel aussetzt. Nun schließt sich Jörg Hentzschel-Fröhlings Wuppertaler Dissertation über "Walther Rathenau als Politiker der Weimarer Republik" an (Matthiesen Verlag, Husum 2007, gebunden, 351 Seiten, 51 Euro). Obwohl zeitgleich mit Schölzel fertiggestellt, muß diese zudem nur den Aspekt des politischen Wirkens nach 1918 thematisierende Arbeit aufgrund des späteren Erscheinungsdatums vielfach Wiederholungseffekte produzieren. Nur bei der Akzentuierung sammelt Hentzschel-Fröhlings im Vergleich mit Schölzel Pluspunkte. Dies betrifft vor allem den unerbittlichen Antibolschewismus des 1922 ermordeten Reichsaußenministers, der als überzeugter "Westler" in Rapallo ausgerechnet die von seinem Amt und Seeckts Reichswehr präferierte "russische Karte" zu spielen begann.


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