© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/07 19. Oktober 2007

Blut-und-Boden-Propaganda
Dänische Werbung ohne Tabus
Hans-Joachim von Leesen

Man fühlte sich in die Zeit des Grenzkampfes nach 1945 zurückversetzt, als man jüngst in dänischen Zeitungen die Werbung der Lebensmittelkette Irma, Teil von Dänemarks größter Supermarktkette Coop, für aus Deutschland eingeführtes Rindfleisch las. "Manche werden sich wundern, daß wir (Dänen) Fleisch von südlich der Grenze holen. Aber für uns geht es um Qualität und Liefersicherheit. Die haben wir im Marschland gefunden. Da müssen wir uns damit abfinden, daß die Grenze leider 1864 in die falsche Richtung gerückt ist. Sonst wäre das Fleisch ja weiter dänisch."

Damit ihren dänischen Kunden das Fleisch von deutschen Rindern nicht im Halse stecken bleibt, erläutern die Irma-Werbeleute, daß das Gebiet um Husum, aus dem das Fleisch stammt, "altes dänisches Gebiet" sei, das "bedauerlicherweise" nach dem deutsch-dänischen Krieg zu Preußen und dann zu Deutschland gekommen sei. Dabei vergessen sie, daß es 1920 eine Volksabstimmung gab, bei der 75 Prozent der dortigen Einwohner (2. Zone) für Deutschland stimmten.

Die Irma-Argumentation erinnert fatal an die Blut-und-Boden-Propaganda, mit der man unter Ausnutzung der deutschen Niederlage nach dem Zweiten Weltkrieg versucht hatte, den Anschluß des nördlichen Teils Schleswig-Holsteins an Dänemark durchzusetzen. Wie in Polen, das die Okkupation großer Teile Deutschlands damit rechtfertigte, sie seien einst polnischer Boden gewesen, argumentierte man auch an der deutschen Nordgrenze.

Weil das historische Herzogtum Schleswig einmal dänisches Lehen war, verlangten starke Kreise revisionistisch gesinnter Dänen (aber nicht die dänische Regierung) die "Wiedervereinigung mit Dänemark" - obwohl nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker die Situation eindeutig war. Schon nach dem Ersten Weltkrieg verbreitete die expansionistische dänische Minderheit in großer Anzahl die dänische Grenzlehre (Grænselære) von Claus Eskildsen, der "bewies", daß sogar die Gänse und Hühner im deutschen Grenzland bei der Fütterung in Wahrheit viel eher auf dänische als auf "preußische" Lockrufe reagierten, woraus der Schluß gezogen wurde, Südschleswig sei urdänisches Land.

Damals zog eine von der dänischen Minderheit organisierte und finanzierte Amateurtheatergruppe durch die Dörfer, um in einem Spiel darzustellen, daß die alteingesessenen Schleswiger - junge Männer, in deren Adern "gutes dänisches Blut" rollte - sich um Gottes willen nicht umgarnen lassen sollten von als Flüchtlinge ins Grenzland gekommenen ostpreußischen Frauen mit ihren runden slawischen Gesichtern, die arbeitsscheu seien und den Tag mit dem Rauchen von Zigaretten verbrachten.

Diese Zeiten sind längst vergangen, aber es verwundert dennoch, daß eine große dänische Firma heute wieder glaubt, mit antideutschen Parolen Kunden gewinnen zu können.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen