© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/07 19. Oktober 2007

Pankraz,
C. von Clausewitz und die Blackwater AG

Was ist deprimierender, eine Horde unter Drogen gesetzter afrikanischer Kindersoldaten oder das Team einer jener privaten amerikanischen "Sicherheitsfirmen" (Blackwater, Unity Resources usw.), die zur Zeit im Irak und in Afghanistan unterwegs sind und dort, genau wie die Kindersoldaten im Kongo, nach Gusto Zivilisten abschießen und Dörfer in Brand stecken, wenn sie das aus Gründen "vorsorgender Sicherheit" für ihre "Kunden" für angebracht halten? Pankraz graust mehr vor den Sicherheitsfirmen, gerade weil deren Angestellte höchstwahrscheinlich nicht unter Drogen stehen, sondern ihren "Job" in voller Sachlichkeit und Kaltblütigkeit verrichten.

Die Blackwater-Leute verstehen sich ausdrücklich nicht als Soldaten. Sie nehmen keine Hoheitsaufgaben wahr, sie wollen, wie man auf einer Anhörung in Washington erfuhr, als "ganz gewöhnliche Arbeitnehmer" behandelt werden. Ihren Einsatz im Nahen und Mittleren Osten betrachten sie als Operieren in rechtsfreiem Raum, die Region ist für sie eine Art Wilder Westen, wo nur noch das Gesetz "Er oder Ich" gilt. Kommt ihnen ein Auto auf offener Piste entgegen und reagiert nicht auf ihre, der Blackwater-Leute, Stoppsignale, wird es sofort zusammengeschossen, einerlei wer drinsitzt.

Das rücksichtslose Herumgeknalle privater ausländischer Sicherheitsfirmen im Irak und in Afghanistan komplettiert - und erledigt - das Bild des modernen, "asymmetrischen" Krieges. Reguläre staatliche Streitkräfte sind in ihm nur noch ein Einzelaspekt im Gesamtgeschehen. Daneben gibt es Guerillas/Partisanen/"Terroristen", Stammesmilizen, Privatarmeen einflußreicher religiöser oder regionaler Führer - und jetzt eben auch die Sicherheitsfirmen. Doch mit deren Erscheinen verflüchtigt sich der Begriff des Krieges überhaupt. Nicht einmal von "asymmetrischem Krieg" kann im Ernst noch die Rede sein.

Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln." Diese immer noch klassische Definition von Clausewitz wird jetzt durch Blackwater & Co. regelrecht außer Kurs gesetzt. Die Prioritäten wechseln die Plätze. Der Krieg ist nicht mehr Mittel, sondern Zweck, alleiniger Zweck. Kriegsherren der Vergangenheit, auch wenn sie noch so "kriegslüstern" waren, hatten doch stets Ziele im Visier, die sich unter Umständen auch ohne Krieg, durch den Aufbau von Drohkulissen, durch Boykottmaßnahmen und politisches Ränkespiel erreichen ließen. Für die Sicherheitsfirmen gilt das nicht. Sie brauchen den Krieg, um Profit zu machen. Ihre einzige Sicherheit ist der Krieg.

Es sind keine Söldner im alten Stil mehr. Im Vergleich zu den Landsknechten und Reisläufern der frühen Neuzeit, die ebenfalls vom Kriege lebten und sich an Fürsten und reiche Handelsstädte vermieteten, sind es ausgesprochen moderne Formationen, ohne jeden Korpsgeist und ohne jede Kriegerromantik, offenbar jedoch auch ohne jede Skrupelhaftigkeit. Sie machen alles, wenn es nur Geld bringt. Die Funktion des Leibwächters spielt in ihren Auftragsbüchern nur eine Nebenrolle. Immer öfter werden sie, nach allem, was in den letzten Tagen bekannt wurde, von staatlichen Militärkräften als Kundschafter und Nahaufklärer engagiert, welche Aufenthaltsorte von Guerilleros/Partisanen/"Terroristen" ausbaldowern und an US-Basen weitergeben sollen.

Im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan sieht das dann so aus: Angestellte von Sicherheitsfirmen, die oft - außer mit den Amerikanern - gleichzeitig auch mit regionalen Stammesführern Verträge abgeschlossen haben und von denen mit (seriösen oder dubiosen) informationen versorgt werden, melden an die US-Basis, daß in dieser oder jener Ortschaft "ein Taliban-Stützpunkt" gebildet worden sei. Daraufhin wird die betreffende Ortschaft umgehend mit Bomben und Raketen angegriffen und kurz und klein geschlagen, so daß kein Stein auf dem anderen bleibt und kein Ortsbewohner überlebt. Safety first, jedenfalls dann, wenn dafür bezahlt wird.

Von "schmutzigem Krieg" zu sprechen, wäre hier nicht nur ein Euphemismus, sondern glatte Fehlinformation. Es handelt sich nicht um Kriegshandlungen, sondern um Tötungsgeschäfte auf Gegenseitigkeit. Ein Krieg wurde ja bis heute nie erklärt, und niemand weiß, wie und zwischen wem je ein Friedensvertrag abgeschlossen werden könnte. Fest steht nur, daß getötet wird, und zwar ohne Ansehen der Person, des Alters, des Geschlechts oder der Volkszugehörigkeit.

Die Kontur der einen "kriegführenden" Seite, der Taliban respektive der "Terroristen", ist völlig diffus, reicht über alle möglichen stammesmäßigen, religiösen und sozialen Gruppen hinweg, deren Interessen verschiedener nicht sein könnten. Aber die andere Seite ist nicht weniger diffus, besteht aus westlichen Invasionstruppen, autochthonen Kriegsherren, einer Regierung in Kabul, die nur sich selber vertritt - und eben aus Sicherheitsfirmen, die mit allen möglichen Kräften im Geschäft stehen und deren Interesse in nichts weniger als in der Beendigung des Tötens besteht.

Unter den mißlichen Konsequenzen, die eine solche Deformation des ohnehin schon "asymmetrisch" gewordenen Krieges hat, ist eine besonders mißlich: Die Gestalt des Kriegers, des Soldaten, eine ja durchaus ehrenwerte, in der Geistesgeschichte der Menschheit überwiegend hochgefeierte Gestalt, nimmt außerordentlichen Schaden. "Man muß Soldat sein für sein Land oder aus Liebe zu der Sache, für die gefochten wird", sagt der brave Major Tellheim in Lessings "Minna von Barnhelm" (1767). Vom Soldatsein aus Liebe zum Geld oder aus Liebe zum Töten ist dort nicht die Rede. Doch das ändert sich wohl jetzt endgültig.

"Uns muß nur der Feind fürchten", dekretierte einst Sebastian Schertlin von Burtenbach, der legendäre Oberkommandant aller Landsknechte im Heiligen Römischen Reich. Da hatte er vielleicht den Mund etwas zu voll genommen. Unbestreitbar aber ist: Die Leute von Blackwater & Co. muß jeder fürchten.


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